Gott oder Zufall?
Immunreaktionen auslösten oder weil die eingeschleuste DNA die Expression anderer Gene (durch eine sogenannte
insertionale Mutagenese
) störte.
Eine menschliche Blastozyste: ein Embryo nach ungefähr fünf Tagen Entwicklung © © Alamy/ PHOTOTAKE Inc.
Ethische Fragen wirft die Gentherapie vor allem deshalb auf, weil ihre Verfahren auch zu anderen Zwecken genutzt werden könnten. Erstens schleust man Erbsubstanz nicht nur in gewöhnliche Körper- (Soma-), sondern auch in Keim-(Ei- oder Samen-)Zellen ein. Eine derartige gentechnische Veränderung kann an folgende Generationen weitergegeben werden. Das zweite Problem betrifft den Gebrauch zu nichttherapeutischen Zwecken. So sorgt sich die Welt-Antidoping-Agentur um ein mögliches »Gendoping«, mit dem Sportler ihr Leistungsvermögen steigern könnten. Für diesen Missbrauch waren zur Zeit der Drucklegung noch keine Beispiele bekannt, aber viele Beobachter fragen nicht, »ob«, sondern »wann« zu solchen Mitteln gegriffen wird.
Gentechnisch veränderte Organismen ( GVO )
Gene einer Art in eine andere einzuschleusen (oder bestehende zu verändern) ist inzwischen ein
gängiges wissenschaftliches Verfahren. Nach erfolgreichen Versuchen an Mikroben konnte gezeigt werden, dass sich artfremde Gene auch in die DNA von Pflanzen (siehe Kapitel
Wissenschaft, Ethik und Christentum/ GV -Nutzpflanzen>
) und Tieren einbauen lassen. Sogenannte transgene Mäuse, die mit menschlichen »Krankheitsgenen« ausgestattet sind, dienen weithin der medizinischen Forschung. Als eine praktischere Verwendung wurden GV -Schafe erschaffen, die Milch mit pharmazeutischen Proteinen geben. Manche Christen wandten ein – sie beriefen sich hauptsächlich auf das Naturrecht –, dass die Übertragung menschlicher Gene auf Tiere deren
Telos
zuwiderlaufe. Zudem wurde es möglich, manche Arten zu klonen – mit dem Schaf Dolly als dem bislang bekanntesten Beispiel. Vor allem deswegen wurden Vorwürfe laut, dass Forscher »Gott spielten«.
Embryonale Stammzellen
Von allen neueren Forschungen in der Biomedizin sorgte die an embryonalen Stammzellen ( ES ) unter Christen für den größten Aufruhr. ES -Zellen werden aus Blastozysten gewonnen, einem frühen Stadium von Embryonen, die noch nicht in die Gebärmutter eingesetzt wurden. Aus ihnen entwickeln sich die verschiedenen Zelltypen, aus denen ein voll ausgebildetes Individuum besteht. ES -Zellen sind
pluripotent,
können sich also zu jedem Zelltyp im Körper ausdifferenzieren. Erstmals 1981 aus Maus-Embryonen isoliert, wurden sie anschließend dank neuentwickelter Verfahren kultiviert. 1998 gelang es erstmals, auch menschliche ES -Zellen zu isolieren und zu züchten. ES -Zellen könnten in der regenerativen Medizin eine Rolle spielen, also bei der Reparatur von Geweben und Organen, die durch Unfall, Krankheit (oder sogar das Alter) geschädigt wurden. Pluripotente ES -Zellen sollen ein breites Spektrum an Geweben reparieren können, vorausgesetzt, man »überredet« sie dazu, sich in den gewünschten Zelltyp auszudifferenzieren. Angesichts dieses Potenzials legalisierte Großbritannien, Stammzellen aus menschlichen Blastozysten zu entnehmen, die aus In-vitro-Fertilisationen hervorgehen. Das neue Gesetz legalisierte zudem, ES -Zellen auch aus menschlichen Embryonen zu entnehmen, die durch Klonen entstehen. Während dieses »therapeutische Klonen« legalisiert wurde, ist das »reproduktive Klonen«, aus dem das Schaf Dolly hervorging, an Menschen bislang noch verboten. Die Frage, ob diese Verfahren ethisch vertretbar sind, löste eine breite öffentliche Debatte aus, obwohl sie zum Zeitpunkt ihrer Legalisierung längst praktiziert wurden. »Das Kind war in den Brunnen gefallen.« Tatsächlich läuft in den USA zur Zeit der Drucklegung in kleinem Maßstab ein erster Versuch, ES -Zellen zu nutzen, um Rückenmark zu reparieren.
Einige Aspekte dieser ethischen Debatte werden auf S. 304 dargelegt. Man kann wohl annehmen, dass sich der Schwerpunkt dieser Forschungen von ES -Zellen auf adulte (»erwachsene« oder somatische) Stammzellen verlagern wird, wie sie im Rückenmark vorkommen. Sie haben nachweislich das Potenzial, bestimmte Körpergewebe zu regenerieren. Ausgewichen wird auch auf ES -ähnliche Zellen, die aus adulten Stammzellen in der menschlichen Haut gewonnen werden können und die an deren Erneuerung sowie an der Wundheilung teilhaben. Weitere Entwicklungen werden mit Spannung erwartet.
Der »ethische Status« des
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