Gott oder Zufall?
ist, wie es im 19. Jahrhundert erschien. Beide Theorien haben einem der stärksten Argumente gegen Wunder den Boden entzogen. Auch wenn in diesem abschließenden Bild noch immer etwas unklar bleibt, welche Beziehung Gott zu einem bestimmten Wirken in der physikalischen Welt hat, so wird dieses Wirken zumindest nicht mehr ausgeschlossen durch ein überholtes Weltbild, das mehr mit Philosophie als mit Naturwissenschaft zu tun hat.
Im biblischen Sinn hebelt Gott die Weltordnung nicht aus, wenn er Wunder vollbringt. Die Naturgesetze sind Gesetzmäßigkeiten, mit denen er das Universum aufrechterhält. Die ungewöhnlichen Phänomene, die uns erstaunen, können Teil eines tieferen Ganzen oder, vom menschlichen Standpunkt aus betrachtet, Abweichungen von Gesetzmäßigkeiten sein, während sie für Gott Veränderungen an der regulären Ordnung von Naturereignissen sind.
Gottes Wirken im Universum
Im Zentrum der christlichen Theologie steht ein Gott, der zu den Menschen nicht nur eine Beziehung hat, sondern auch agiert. Gottes Wirken in der Welt wird nicht nur in der Schöpfung, sondern auch in Exodus und Kreuz sichtbar. Wie aber wirkt Gott in der Welt? Die Frage ist schwer zu beantworten. Neben den Beschreibungen der Wissenschaft, wie sich Gott zum Universum verhält, gibt es das Problem des Bösen: Warum verhütet Gott nicht häufiger Leiden? Zudem diskutieren und streiten die Theologen darüber, wie das biblische Zeugnis mit Blick darauf zu deuten sei, wie viel Gott weiß und wie sehr er die Zukunft beherrscht.
Im Dialog zwischen Wissenschaft und Theologie tauchten mehrere Positionen auf:
1. Der Gott des »Wirkens im Geiste«
Rudolf Bultmann postulierte, dass Gott nicht auf besondere physische Weise agiere, sondern seine Zwecke erreiche, indem er im Gläubigen wirke, der seinem Wort begegnet. Gott verändert Dinge, indem er unser Denken in bestimmten Fragen verändert. Doch die biblische Erzählung geht darüber weit hinaus. Natürlich spricht die Bibel vom Gott, der Geister verändert und seine Pläne durch Menschen verwirklicht, aber die Auferstehung beruht nicht einfach nur auf dem Glauben der Urkirche, dass Jesus wieder lebendig wurde, basierend auf einem leeren Grab und Erscheinungen des Auferstandenen. Als ein weiteres Problem dieser Sicht setzt auch das Modell eines Gottes, der den menschlichen Geist verändert, ein bestimmtes Zusammenwirken von ihm mit der physischen Welt voraus.
2. Der »abwartende und beobachtende« Gott
Maurice Wiles brachte vor, Gottes Wirken beschränke sich auf den einen großen Akt, der das Universum hervorrief und es jetzt im Sein hält. Ähnlich wie ein Produzent, der am Broadway ein Theater pachtet und Schauspieler ohne jede Einmischung ein Drama improvisieren lässt, hat Gott das Universum geschaffen und erhält es, ohne je einzugreifen. Diese Position ist insofern attraktiv, als Gott so für das Böse in der Welt nicht unmittelbar verantwortlich ist. Wenn Gott in der Welt wirkt, findet man einen Ausdruck seines Willens in der Zuverlässigkeit und Schönheit der Naturgesetze, die als Widerspiegelung seines getreuen und anhaltenden Wirkens gelten können. Wenn Gott aber im Universum keine besonderen Handlungen ausführt, ist nur schwer nachvollziehbar, wie er persönliche Beziehungen unterhalten kann. Aus dieser Sicht ist die Auferstehung unmöglich als historisches Ereignis zu verstehen.
3. Ein »überzeugender« Gott
Die Prozesstheologie wurzelt in der Philosophie Alfred North Whiteheads. Im 20. Jahrhundert entwickelt, wurde sie von einer Reihe führender Denker (so von Ian Barbour) im Wissenschafts-Theologie-Dialog übernommen. Sie geht davon aus, dass jedes Ereignis im Universum einen psychischen und einen materiellen Pol hat. Gott agiert als Akteur auf der subjektiven Ebene, wobei er Macht eher durch Überredung und Verlockung als durch Zwang ausübt. Diese Theologie hat zahlreiche Kritiker: Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die physische Welt ein solches Wesen hat? Wie sind der psychische und der materielle Pol miteinander verknüpft? Nur schwer ist nachvollziehbar, wie Gott auf einer solchen Ebene Bedeutendes bewirken soll. Ist Gott, wie Wiles Schöpfer, auf eine passive Gottheit reduziert?
4. Ein »offener« Gott
Denker wie William Vanstone und Jürgen Moltmann vertraten die Auffassung, dass Gott sich selbst Grenzen setze und den Menschen sowie faktisch dem Universum ein Maß an Freiheit gebe, um die eigene Potenzialität zu erkunden – die sogenannte
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