Gott oder Zufall?
den er mühselig jedes Wort eingibt. Hawking hat an einem breiten Spektrum von Fragen gearbeitet, von Schwarzen Löchern bis zum Uranfang des Universums: Hier machten seine Forschungen Schlagzeilen in der Frage, ob Gott als Schöpfer des Kosmos notwendig ist.
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Hawking vertritt einen gangbaren Weg, die Quantentheorie mit der Gravitationslehre zu vereinen und damit den Beginn des Universums zu beschreiben. Eine solche Theorie soll erklären können, wie sich die »Lunte« des Urknalls selbst entzündete. Im Kern besagt sie, dass vor langer Zeit keine Zeit existierte. Demnach hat das Universum einen Anfang, braucht aber keine Ursache. In der Theorie zerrinnt der Begriff der Zeit. Hawkings Universum entspringt einer Fluktuation in einem Quantenfeld. Eine Ursache braucht es dafür nicht.
Dieses Denken wird in der übrigen Wissenschaftsgemeinde allerdings nicht vollständig akzeptiert. Es gibt weitere Vorschläge, wie mit dem Problem der zusammenbrechenden Gesetzmäßigkeiten umzugehen sei. Dabei lässt sich nur schwer sagen, ob die Quantentheorie auf das gesamte Universum anwendbar ist. Am wichtigsten: Hawking hat tatsächlich noch keine vollständige Theorie entwickelt. Er trifft seine Annahmen auf der Basis dessen, wie diese aussehen müsste, wenn sie umfassend wäre. In dem neueren Buch
Der große Entwurf
stellt er in Aussicht, dass die laufende Arbeit an der sogenannten grundlegenden M-Theorie dies leisten könnte. Diese ist allerdings höchst umstritten. Hawkings Freund und einstiger Mentor Roger Penrose bezeichnete sie als »eine Sammlung von Ideen, Hoffnungen, Bestrebungen …, die von keinerlei Beobachtungen gestützt werden«.
Der Ursprung des Urknalls
Die Kosmologie erstellt anhand der bekannten physikalischen Gesetzmäßigkeiten ein Modell, das die vergangenen Geschehnisse rekonstruiert – mit großem Erfolg. Es beschreibt die Verhältnisse im Universum vor Milliarden von Jahren, sogar zu einer Zeit, da es gerade einmal den verschwindend geringen Bruchteil einer Sekunde (10 -43 Sekunden) alt war. Hier fallen die großen Theorien des 20. Jahrhunderts, die Allgemeine Relativitätstheorie und die Quantentheorie, in sich zusammen – sehr zum Verdruss der Wissenschaftler, welche die gesamte Geschichte des Universums verstehen wollen, wenn sie seine anfänglichen Verhältnisse beschreiben.
Andere sahen das Problem als Beweis für die Existenz eines Schöpfergottes. Brauchen wir Gott, um die Anfangsverhältnisse des Universums »dingfest zu machen«? Wenn die Wissenschaft die Momente des Uranfangs nicht beschreiben kann, gab dann Gott dem Universum den Anstoß? Manche, wie Stephen Hawking, vertreten eine andere Position. Sie glauben, die Relativitäts- und die Quantentheorie ließen sich zu einer vereinheitlichten Theorie, zur Quantengravitation, zusammenführen. Sie soll die anfänglichen Verhältnisse im Universum ohne den erklärenden Rückgriff auf Gott beschreiben können.
Stephen Hawking (* 1942) © © Corbis/Warren Toda
Macht eine vereinheitlichte Theorie, so sie gefunden ist, Gott überflüssig? Das Argument, dass für die Initialzündung des Urknalls Gott benötigt würde, ist eine zeitgemäße Form des kosmologischen Gottesbeweises, der seit Jahrhunderten in verschiedenen Zusammenhängen angeführt wurde. Doch das Argument hat mehrere Schwächen. Augustinus (354 bis 430) hob hervor, dass das Universum
mit der Zeit,
nicht in der Zeit erschaffen worden sei. Danach zu fragen, was vor dem Universum gekommen sei, ist so, als versuchte man, den Begriff der Zeit zu nutzen, ehe es ihn gab! Auch entspringt das Argument der Vorstellung, dass das Universum ein Ding oder Ereignis sei. Man kann zwar jedem Ding leicht eine Ursache zusprechen, aber ist das Universum als Ganzes ein Ding oder Ereignis? Sicher ist es die Gesamtheit aller Ereignisse und Dinge. Wenn jedermann Eltern hat, bedeutet dies nicht, dass die Menschheit eine Mutter hat.
Wichtiger noch, lauern in diesem Argument zwei größere theologische Fehler. Der erste ist der eines »Lückenbüßergottes« (siehe Kapitel
Das Wesen der Dinge/ »Der Lückenbüßergott«
).
Wenn Christen in der Forschung eine Wissenslücke ausmachen, neigen sie stets dazu, Gott als fehlende Erklärung anzuführen. Newton benötigte Gott, um die Planeten, deren Bahnen seine Gravitationstheorie beschrieb, nach gelegentlichen Störungen wieder an ihren Platz zu setzen. Mit einem verbesserten Verständnis
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