Gott oder Zufall?
Kenosis . Innerhalb der evangelikalen Theologie hat dieser Punkt eine der heftigsten Kontroversen der letzten Jahre ausgelöst. Clark Pinnock verfocht die »Offenheitstheologie«, in der Gott eine Welt erschaffe, in der die Zukunft noch nicht ganz feststehe – und uns eine große Verantwortung überlasse. Hier zeigten sich auffällige Ähnlichkeiten zur Prozesstheologie, aber mit einer stärkeren Betonung von Gottes Transzendenz und dem Anspruch, mehr Anstöße aus der Bibel als aus der Philosophie empfangen zu haben. Pinnock argumentiert anhand der biblischen Bilder von Gott, der in Liebe agiert, mit Menschen kooperiert und auf Gebete reagiert.
Eine Möglichkeit für eine solche Offenheit erkundete John Polkinghorne im Rahmen der Chaostheorie. Nach ihm bedeutet Chaos, dass das Universum inhärent für die Zukunft offen, unvorhersagbar und unbestimmt sei. Dies schafft »Raum« für menschliche Freiheit und liefert zudem ein auf dem freien Willensprozess beruhendes Argument für das natürliche Böse, insofern die Offenheit des Universums bei der Erkundung des eigenen Potenzials zum Guten wie zum Schlechten genutzt werden kann. Polkinghorne deutet an, dass Gott in der Flexibilität dieser offenen Systeme wirke und zugleich den Grund des Gesetzes bilde. Gottes besonderes Wirken ist real, aber verborgen. Als Reaktion darauf fragten manche, ob das Chaos nur Beschränkung unseres Wissens anstatt echter ontologischer Offenheit im Universum bedeute. Wir kennen die Zukunft nicht, aber sind auch einem grenzenlosen Gott solche Grenzen gesetzt? Und sollte ferner Gott auf solche »Lücken« der wissenschaftlichen Vorhersage beschränkt sein? Beschränkt sich Gottes Wirken so auf chaotische Systeme und das Verborgene?
5. Ein »körperlicher« Gott
Der »Panentheismus« war ein beliebtes Bild für Gottes Wirken in der Welt, insbesondere vertreten von dem Biochemiker Arthur Peacocke. Er baut auf einer Analogie zwischen Gottes und unserem Wirken auf, versucht aber, das Wirken Gottes in der Welt an unseres in unseren Körpern heranzurücken. So sieht er das Universum als ein Kind im »Schoße« Gottes. Daraus erwachsen Schwierigkeiten. Wie »agieren« wir in unseren eigenen Körpern? Ferner: Wenn das Universum irgendwie Gottes Leib ist, wird Gott dann verletzlich, wenn sich das Universum mit der Zeit verändert? Der Panentheismus scheint die Andersartigkeit und Freiheit Gottes zu bedrohen, während sie die Freiheit der Welt, sie selbst zu sein, in Frage stellt.
6. Ein Gott der »Doppelurheberschaft«
Anstatt die kausale Verbindung von Gottes Wirken in wissenschaftlichen Begriffen zu beschreiben, argumentierten Austin Farrer und neuerlich John Houghton, dass wir Gottes Wirkweisen nicht in menschlichen Begriffen fassen könnten. Deswegen bleibe die kausale Verbindung zwischen Gottes und unserem Wirken stets im Verborgenen. Jedes Ereignis im Universum könne auf zweierlei Weise beschrieben werden, als sogenannte Doppelurheberschaft. Das Ereignis kann als vorhersende Handlung Gottes gefasst und zugleich umfassend mit den Naturgesetzen oder als Handlung menschlicher Akteure beschrieben werden. Einwände gegen diese Sicht drehen sich darum, ob die Freiheit in diesem Bild überhaupt real sei und ob sie nicht einfach einen Rückzug ins Mysterium darstelle.
Kosmologie und die Ursprünge des Universums
Bild der Antennen-Galaxien, aufgenommen vom Hubble-Teleskop © © Photolibrary/ NASA ESA and the Hu
Den Urknall verstehen
Die Fortschritte in der Kosmologie und Kosmogonie – der Erforschung des Aufbaus und Ursprungs des Universums – erbrachten über die Jahrhunderte mehrere bedeutende Erkenntnisse. Der Glaube an eine Ordnung im Universum, wie Mathematiker sie beschrieben, entwickelte sich in der griechischen Antike, wurde von der christlichen Weltanschauung gefestigt und führte schließlich zu Gesetzen, wie sie Einstein in seinen Relativitätstheorien formulierte. Sie versetzen Wissenschaftler in die Lage, die physikalische und biologische Entwicklung in der Zeit zurückzuverfolgen. Die Beobachtung, zu der einmal mehr die christliche Weltsicht ermunterte, wurde federführend bei der Beurteilung, wie realitätstauglich die entwickelten theoretischen Modelle waren.
Das Urknall-Modell für die Anfänge des Universums baut auf Beobachtungen auf, die im Zusammenhang mit Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie stehen. Es beschreibt das Universum den Bruchteil einer Sekunde nach seiner Entstehung. In diesem Stadium, vor
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