Gott oder Zufall?
Bewusstsein herausgebildet, wobei die ersten Kapitel der Genesis diesen Prozess in einer Form nacherzählen, die in der nahöstlichen Kultur des antiken Israel verstanden werden konnte.
Vielleicht erwählte sich Gott in seiner Gnade ein Paar (oder sogar eine kleine Gruppe) neolithischer Bauern und offenbarte sich ihnen auf eine besondere Weise. Ein anatomisch neuzeitlicher Mensch zu sein war notwendig, aber nicht hinreichend für die besondere von Gott gewollte Beziehung. Diese Umwandlung veränderte die biologische Art
Homo sapiens
zum
Homo divinus,
der zur Beziehung mit Gott fähig war.
Eine verwässerte Version des Paleyschen Deismus ist der Gedanke, Gott habe stufenweise erschaffen, indem er in verschiedenen Stadien durch Wunder eingegriffen habe. Diese Vorstellung eines gestaffelten oder episodischen Kreationismus ist von denen unterstützt worden, die zwar für ein hohes Alter der Erde eintreten, jedoch versuchen, einen Schöpfer mit einzubeziehen, der während dieses Prozesses auf eine bestimmte Art und Weise eingreift.
Jene, die an einer »jungen Erde« festhalten und den Schöpfungsbericht als wörtlich zu nehmende Geschichte betrachten, halten auch an einem historischen Adam fest, der keine biologische Beziehung zu irgendeiner anderen Form hat.
Kompliziert wird diese Debatte unter anderem dadurch, dass das mit »Adam« übersetzte Wort entweder eine einzelne Person oder aber ein menschliches Kollektiv bezeichnen kann. Die meisten Übersetzer halten es für das Letztere, doch für viele ist die Leugnung eines »historischen Adam« nicht hinnehmbar. Der zeitgenössische »Kreationismus« geht ja tatsächlich auf den Ausruf zurück: »Kein Adam, kein Sündenfall; kein Sündenfall, keine Sühne; keine Sühne, kein Erlöser« – ein Argument, das ursprünglich von dem britischen Atheisten Robert Blatchford vorgetragen wurde. Diese theologische Debatte um Adam muss als vollkommen abgetrennt von den wissenschaftlichen Debatten um den Darwinismus betrachtet werden – ein Sachverhalt, der den meistens erstaunten Wissenschaftlern gar nicht so leicht zu erklären ist, wenn man die Evolution in Zweifel zieht. Doch bei vielen Theologen besteht nun einmal ein exegetischer Bedarf nach einem historischen Adam. Konservative Kommentatoren machen darauf aufmerksam, dass der »eine Mensch« (Adam) bei der Argumentation von Paulus in dessen Brief an die Römer (Römer 5) entscheidend sei. Zwölfmal taucht das Wort der
eine
in der Passage Römer 5,12–19 auf; wiederholt bezieht sich Paulus auf den einen Menschen Adam (und auf die eine Sünde dieses einen Menschen) und stellt ihm den einen Menschen Jesus Christus (und dessen einzigartigen Akt der Gnade) gegenüber. Dieser eine Mensch und seine Sünde und dieser eine Erlöser und seine Erlösung scheinen in den Gedanken von Paulus untrennbar zu sein. John Stott ist entschieden
für
diese Sichtweise eingetreten: »Die heilige Schrift möchte eindeutig, dass wir ihre [Adams und Evas] Geschichtlichkeit als das ursprüngliche Menschenpaar annehmen: Die biblischen Stammbäume verfolgen das Menschengeschlecht bis auf Adam zurück; Jesus selbst lehrte, dass ›der Schöpfer die Menschen am Anfang als Mann und Frau geschaffen hat‹ und dann die Ehe einsetzte, Paulus sagte den Philosophen von Athen, dass Gott jede Nation aus ›einem einzigen Menschen‹ erschaffen habe, und vor allem beruht der sorgfältig durchdachte Vergleich, den Paulus zwischen Adam und Christus zieht, auf der ebenbürtigen Geschichtlichkeit beider«. (Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass das Wort »Mensch« im griechischen Text der Apostelgeschichte 17,26 nicht auftaucht.)
Die Vermutung, dass ein »historischer Adam« wissenschaftlich unglaubwürdig sei und auf einer naiven wörtlichen Übersetzung beruhe, ist tatsächlich die Folge einer Verwirrung – was die Natur des Menschlichen in Bezug auf den Schöpfer angeht. Die
»imago«,
die die Menschheit von allen anderen Tieren unterscheidet (Genesis 1,26, 27), ist dem Menschlichen so wesenhaft wie die Augenfarbe oder das Erinnerungsvermögen, doch es wäre falsch, davon auszugehen, dass es wie ein Mendelscher Erbfaktor weitervererbt oder weitergegeben würde. Wenn es anfangs an ein Einzelwesen übertragen worden wäre, gäbe es keinen Grund, weshalb es sich damals nicht durch göttliches Urteil auf alle anderen lebenden Mitglieder von
Homo sapiens
hätte ausbreiten sollen. In diesem Sinne wäre Adam das Haupt der Menschheit, und alle nach ihm
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