Gott oder Zufall?
Fabrikanten aufgegriffen, um ihre Rücksichtslosigkeit gegenüber ihren Arbeitern zu rechtfertigen. In letzter Zeit meinten Evolutionsethiker angesichts unserer moralischen Verpflichtung für die Schwachen und Hilfebedürftigen, dass Ziel und Zweck der Evolution eher die »Intensivierung des Bewusstseins« sei. Biologen wie Stephen Gould und Steve Jones vertreten den Standpunkt, dass wir uns nunmehr so weit entwickelt hätten, dass wir unsere eigenen Ziele wählen und unser Leben so führen könnten, dass wir sie verwirklichen. Ein Engagement für die Notleidenden, Armen und Kranken könnte den herkömmlichen Drang der Leistungsstarken nach Erfolg – oftmals auf Kosten der weniger Erfolgreichen – ablösen. Es ist schon fast banal, darauf hinzuweisen, dass es nicht den geringsten Beweis dafür gibt, dass wir uns in moralischer Hinsicht in irgendeiner Weise verbessert hätten.
Herbert Spencer (1820–1903) © © Corbis/Michael Nicholson
Doch das eigentliche Problem eines »Aufwärts-Sündenfalls« besteht in dem Schaden, den eine solche Postulierung der biblischen Metaerzählung antut. Die durch Christus vollbrachte Erlösung wird mit den Worten beschrieben, dass er »uns vom Tod befreite« (»Ihr wart tot infolge eurer Verfehlungen und Sünden … Gott aber, der voll Erbarmen ist, hat uns, die wir infolge unserer Sünden tot waren … zusammen mit Christus wieder lebendig gemacht«, Epheser 2,1, 5; »Ihr wart tot infolge eurer Sünden … Gott aber hat euch mit Christus zusammen lebendig gemacht«, Kolosser 2,13; »Wir wissen, dass wir aus dem Tod in das Leben hinübergegangen sind«, 1 Johannes 3,14; es ist im Gespräch Jesu mit Nikodemus implizit enthalten, als er zu ihm über das »von neuem geboren« spricht, wie es bei Johannes 3, 1–14 berichtet wird). In diesem Kontext kann mit »Tod« nicht der physische Tod gemeint sein (Adam und Eva hatten alle ihre Kinder nach der Vertreibung aus dem Garten Eden bei sich), und es kann sich auch nicht einfach um eine Redefigur handeln (wie im Gleichnis vom verlorenen Sohn: »Mein Sohn war tot«); es muss damit der spirituelle Tod im Sinne einer Trennung von Gott gemeint sein – das Schicksal, das Adam und Eva erlitten, nachdem sie aus dem Paradies verbannt worden waren.
Adam und Eva werden aus dem Paradies vertrieben. © © Lebrecht/Music & Arts
Sprache und Symbolik vom »Tod« könnten darauf schließen lassen, dass physischer und spiritueller Tod das Gleiche sind, doch der biblische Text trifft einige deutliche Unterscheidungen. Der Tod, von dem Christus uns errettet hat, ist nicht einfach eine spirituelle Gefühllosigkeit und Blindheit und auch nicht bloß eine Anfälligkeit für körperliche Sterblichkeit; er ist der Abbruch der Beziehung mit Gott, der Quelle des Lebens. Interessanterweise wies William Buckland bereits 1837 in seinem
Bridgewater Treatise
darauf hin, dass der Tod des Menschen von dem der Tiere unterschieden werden sollte. Der entscheidende Faktor war für ihn die riesige Menge vorher existierender Organismen, die allein durch Fossilien repräsentiert werden. Es könnte zwar so aussehen, als bringe man mit einer Unterscheidung zwischen biologischem und spirituellem Tod einen Dualismus in das Menschliche hinein, doch dies ist dann eine sehr schwache Form des Dualismus; jedenfalls werden »Leib« und »Seele« damit nicht als zwei getrennte Dinge wie beim klassischen Dualismus von Platon oder Descartes dargestellt. Es gibt im Denken des Paulus einen Dualismus, doch dieser besteht zwischen kindlichem Gehorsam und Ungehorsam Gott gegenüber. Dadurch wird die Sichtweise, der Tod sei ein Abbruch der Beziehung zwischen uns und Gott, zusätzlich gestützt; es ist die zerbrochene Beziehung, die den Tod bedeutet.
Der wichtigste Kommentar im Neuen Testament zu den Konsequenzen des in Genesis 3 beschriebenen »Sündenfalls« findet sich im Brief an die Römer 8,19–22, wo die ganze Schöpfung »der Vergänglichkeit unterworfen« ist und »bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt«. Das ist eine schwierige Passage. Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass es beim »Sündenfall« in erster Linie weder um Krankheiten und Katastrophen noch um das plötzlich eintretende Selbstbewusstsein des Menschen geht. Das stützt die Interpretation, dass es eine Möglichkeit ist, den Riss im Verhältnis zwischen Gott und dem menschlichen, nach seinem Bild erschaffenen Geschöpf zu beschreiben. Der Bruch bedeutet, dass wir
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