Gott oder Zufall?
geborenen Männer und Frauen wären seine geistlichen Nachfahren.
Die-Menschheit-nach-dem-Bild-Gottes
(Homo divinus)
ist ein Geschöpf, das in Beziehung zu Gott steht. Durch die Sünde kann diese Beziehung unterbrochen, aber nicht zerstört werden – so wie ein Kind das Kind seiner Eltern bleibt, auch wenn es sich manchmal von ihnen entfernt. Obwohl die Schöpfungsakte Gottes in der ganzen Genesis 1 durchgehend als göttlich gelenkte Prozesse beschrieben werden (»Es werde …«), wird der Text (erst) in Genesis 1,26 ausdrücklich persönlich: »Lasst uns Menschen machen …«; in Vers 29 wendet sich Gott an die neu erschaffenen Menschen mit der Anrede »Euch«. Das »Bild Gottes« bedeutet, dass wir fähig wie Gott sind, so dass wir eine enge Beziehung zu ihm haben können: Uns wird gesagt, dass Gott im Garten mit Adam und Eva spazieren geht und dass er zu ihnen persönlich und anders als zu der übrigen Schöpfung spricht. Die Frau wurde als eine dem Adam ebenbürtige Partnerin erschaffen, denn: »Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt.«
Über die Erschaffung der Frau
Immer wieder spricht die Bibel von der Einheit der Menschheit und davon, dass sie alle Sünder seien. Die einzige Ausnahme davon findet sich wohl in Genesis 3,20, wo die Frau als »die Mutter aller Lebendigen« beschrieben wird. Wie auch immer – »Eva« bedeutet »Leben«, und es kann davon ausgegangen werden, dass diese Bezeichnung eine Wiederholung des Erlösungsversprechens durch sie (Genesis 3,15) und keine anthropologische Aussage darstellt.
Antike Texte enthalten zahlreiche Bezüge auf Menschen, die aus vielfältigen Materialien geschaffen worden sind, etwa aus den Tränen eines Gottes (Ägypten), dem Blut eines Gottes und – ganz häufig – aus Ton (Mesopotamien). Nur in der Genesis werden die Menschen als Individuen behandelt.
In Genesis 2,18–24 wird uns erzählt, dass Gott die Frau aus der Seite des »Menschen« schuf, damit sie ihm eine Gefährtin und Hilfe sei, wie es in Matthew Henrys oft zitiertem
Kommentar
geschildert wird: »Sie (Eva) wurde nicht aus seinem Haupt gebildet, als wäre sie Herrscherin über ihn, noch aus seinen Füßen, als könne er sie tyrannisieren.« Der konservative Kommentator Gordon Wenham deutete Genesis 2,21–25 so: »Der ganze Bericht von der Erschaffung der Frau hat eine poetische Note: Es wäre sicher falsch, ihn als Darstellung einer medizinischen Operation zu lesen oder als Versuch, ein Merkmal der menschlichen Anatomie zu erläutern. Er stellt vielmehr auf geniale Art und Weise die Beziehung zwischen Mann und Frau anschaulich dar … Hier wird das Ideal der Ehe gezeichnet, wie es im alten Israel verstanden wurde: als Beziehung, die von Harmonie und Intimität zwischen den beiden Partnern gekennzeichnet ist.«
Die Erschaffung Evas aus der Rippe des schlafenden Adam, Teil des von Michelangelo gemalten Freskos in der Sixtinischen Kapelle © © Art Archive//Sistine Chapel Vatican/Superstock
Ein historischer Sündenfall?
Die Geschichte vom in der Bibel geschilderten »Sündenfall« (ein Begriff, der in der Bibel gar nicht auftaucht) wird allgemein so verstanden, dass die »Geschichte von der Versuchung« in Genesis 3 lediglich eine Möglichkeit sei, das Entstehen von Selbsterkenntnis bei den Menschen zu beschreiben; der Verzehr der Frucht, die dazu führte, dass unseren Urahnen »die Augen aufgingen«, wird dazu benutzt, um auf die Entwicklung des Gewissens und die Möglichkeit einer moralischen Entscheidung hinzuweisen. In diesem Sinne wird der »Sündenfall« zu einer Aufwärtsbewegung zur wahren Menschheit statt zu einem Abstieg in die moralische Verworfenheit. Julian Huxley meinte immer, wir hätten uns von der biologischen Phase der Evolution in das versetzt, was er die »psychosoziale Phase« nannte; C. H. Waddington bezeichnete es als die »soziogenetische Phase«. Teilhard de Chardins Gedanke einer Bewegung in Richtung auf den »Omegapunkt« drückt eine ähnliche Vorstellung aus.
Die von Herbert Spencer, einem Zeitgenossen Darwins, inspirierten Sozialdarwinisten glaubten, dass sie bei der Entwicklung des Lebens eine Zielsetzung erkannt hätten – und diese tendierte dem »Survival of the Fittest« zu, dem »Überleben der am besten Angepassten«. Schwächlinge bleiben auf der Strecke, da sie es nicht schaffen, sich den wechselnden Rahmenbedingungen und der Umwelt anzupassen; nur die Starken überleben. Spencers Ideen wurden von skrupellosen
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