Gott sacker Kriminalroman
über Leben und Tod an, er
möge sie ihm wiedergeben. So starb er.‹
Er legte das Alte Testament bedächtig auf die
Werkbank und fing an, Ordnung in den Holzschopf zu bringen.
Wann würden die Truppen bei ihm sein? Bald,
bestimmt bald. Jeden Tag sind sie mit ihren grün-weißen und silbrig-blauen
Legionen im Dorf. Nie würde er sie aufhalten können, das wollte er auch nicht.
Er wollte nur Gerechtigkeit.
Ein Schwert hatte er keins, aber Kreuze. Auf die Mauer könnte
er auch klettern, wenn etwas schiefging. Aber man braucht für das eigene Ende
mehr Mut als für das Ende der anderen. Beim zweiten Mal ging es schon viel
leichter, der Alte war vor Schreck umgefallen, als er ihn sah. Er brauchte ihm
nur noch das Kreuz in die Brust hämmern, das ging einfach. Man benötigt nur das
richtige Werkzeug.
Er ging daran, den Hammer zu reinigen, ein paar
kleine dunkle Spritzer an Stiel und Kopf störten ihn. Zuerst entfernte er die
bräunlichen Flecken am hellen Holzstiel mit dem Fingernagel, danach nahm er
einen öligen Lappen und rieb zärtlich den schweren Kopf des Werkzeugs. Nach
getaner Arbeit suchte er nicht lange im hinteren Teil des Schopfes, er fand ein
schlichtes Eisenkreuz, wog es fachmännisch in der Hand, spannte es in den
Schraubstock, nahm den Winkelschleifer und machte sich an die Arbeit.
10
Meine Arbeit nötigte mich, am frühen
Mittwochnachmittag Philipp in Weingarten an seiner Arbeitsstätte zu besuchen.
Als Sozialpädagoge arbeitete er in einer betreuenden integrativen Werkstatt und
unterlag somit nicht dem gängigen Schulferienrhythmus. Es war mir klar, dass
ich ihn nicht bei seinen Schützlingen fand, die wie immer Starter in Neonröhren
einbauten. Lothi, der Dicke mit Down-Syndrom, wollte mir wie immer zeigen, wo
Philipp war. Wir fanden ihn zwar nie, aber Lothi wusste, dass ich ihm am
Automaten stets einen Kaffee spendierte. Ich fand Philipp Maiser auch nicht in
der Teestube bei den ernsthaften, aber feschen Sozialpädagoginnen mit ihren
engen Jeans und schwarzen Blusen, die mich auf einen ›kurzen Kaffee‹ einluden.
Ich fand ihn diesmal im Außenbereich in seiner kleinen Werkstatt.
Er hämmerte gerade an einem Metallteil herum und fluchte laut
vor sich hin. Als er mich bemerkte, begrüßte er mich wortlos mit einem
Peace-Zeichen, gebildet aus einem ›V‹ von Zeige- und Mittelfinger seiner
rechten Hand. Seine langen strähnigen Haare hingen ihm wirr ins Gesicht, über
seinen kurzen grünen Gammelhosen und seinem lila Batikshirt trug er eine
mächtige, braune Lederschürze. Er zeigte zur Orgelpfeife auf der Werkbank.
»Das war harte Arbeit, bitte vorsichtig beim Einbau. Sag mal,
warst du gestern Abend mit Hildi unterwegs?«, fragte er ganz nebenbei.
»Ja, warum?«
»Nur so. Ihr wart im Ochsen?«
»Ja, warum?«
»Habe ich gehört.«
»War nett mit Hildegard.«
»Machst du dich immer an die Frauen aus deiner Gruppe ran?«
Jetzt ist es raus, dachte ich.
»Nein, an dich nicht.«
»Sehr witzig.«
»Weißt du – vielleicht weißt du’s ja nicht –, ich gehe mit
Hildi.«
»Wohin?«
Ȁhm. Ich bin mit ihr erst seit Kurzem
zusammen … und du weißt ja, viele Frauen stehen auf so oberflächliche
Sachen wie Cowboystiefel und Kawasaki, aber Hilde ist viel ernster, sie macht
sich Gedanken, wie man die Schöpfung retten kann, deshalb auch die Sache mit
den Lamas.«
Ich blickte nachdenklich auf mein pythonbeledertes Schuhwerk
und fragte mich, ob ich mich verhört hatte oder das teure Schuhwerk wieder
verkaufen sollte.
»Ja, aber Hildegard ist doch nicht oberflächlich.«
»Ähm, nein, so habe ich das nicht gemeint, aber könntest du
die Finger von ihr lassen? Man kennt ja deinen Ruf.«
Jetzt war es endlich ganz raus, Philipp der
Mutige mit kurzen Jeans, die er selbst abgeschnitten und grün eingefärbt hatte,
aus meiner Frauenpsycho-Gruppe hatte es auszusprechen gewagt: Er hatte Angst,
dass ich ihm seine Hirnlose ausspannte. Aber Männer haben auch Ideale.
Hildegard sah aus einigen Blickwinkeln wirklich echt spitze aus, aber mit ihr
reden konnte man nur über Vegetarismus und das gehörte nicht zu meinen
Lieblingsthemen. Ich machte Philipps Seelenpein ein schnelles Ende: »Ich finde
Hildegard ja wirklich klasse, aber sie ist nicht mein Typ. Sie ist, wie soll
ich sagen, viel zu intellektuell für mich.«
»Ja, das verstehe ich, war ja auch nicht böse gemeint.«
»Woher hattest du denn die Info vom
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