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Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Titel: Gott und die Staatlichen Eisenbahnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ustinov
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voneinander sind. Ein schockierender Gedanke, nicht wahr? Ein Gedanke, der Ihnen vielleicht nie gekommen ist. Wenn die Leute über >die Juden< reden, sehen sie vor ihrem inneren Auge meist eine amorphe Masse, eine Menge, aber niemals eine Menge von Individuen, einen Mikrokosmos von Mängeln und Tugenden, wie sie sich im gesamten Menschengeschlecht finden.«
    »Die Juden waren und sind verschieden von den Italienern.«
    Gargaglias Taktik war die der Unverbindlichkeit, der einsilbigen Antworten, wo ihm dies möglich schien. Manasse behielt bei diesem rätselhaften Gespräch die Initiative. Er allein mochte wissen, wo ihre Debatte hinführte. Gargaglia hielt sich zurück, um seine Bewegungsfreiheit möglichst lange zu wahren und um seine Reserven an Energie und Logik zu schonen.
    »Auch die Italiener sind verschieden voneinander«, mutmaßte Manasse. »Und selbst wenn Sie dem absurden Traum anhängen, daß die Rasse sich seit Römertagen überhaupt nicht verändert hätte, dürfen Sie nicht vergessen, daß auch Rom selbst seine Juden hatte, und welch ein Ärgernis, verdammt, waren sie mit ihrer Hitzköpfigkeit und Hartnäckigkeit und ihrem Klagen in den Katakomben.« Er lachte knapp und lautlos über das Bild, das er entworfen hatte. »Verschiedenheit an sich ist gewiß kein Anlaß zu Verfolgung. Ich würde meinen, daß Wehrlosigkeit vielleicht ein stichhaltigerer Antrieb ist. Die Deutschen sind verschieden von den Italienern, aber nie haben die Italiener die Deutschen verfolgt. Sie waren nicht in der Lage dazu. Die Juden sind viel leichter zu verfolgen. Ist das nicht der wahre Grund – die leichte Gelegenheit? Wenn man wütend auf seine Vorgesetzten ist, brüllt man seine Frau an. Ist es nicht so? Wenn eine Nation frustriert und ohnmächtig ist, hat sie immer die Juden, an die sie sich halten kann, wie ein Mann an seine Frau. Werfen Sie doch einen Blick auf die Geschichte, und Sie werden feststellen, daß die Juden in Zeiten des Wohlstands und der nationalen Zufriedenheit meist in Ruhe gelassen werden.«
    »Ich persönlich habe nichts gegen die Juden.«
    »Aah – «
    »Ihr Urteil über die Ursachen der Verfolgung ist äußerst bestechend. Es gibt selbstverständlich Ausnahmen.«
    »Selbstverständlich. Bei den meisten Verallgemeinerungen gibt es Ausnahmen.«
    »Ein Idiot müßte sein, wer nicht zugeben wollte, daß der Beitrag einzelner Juden zum Fortschritt der Menschheit« –, sagte Gargaglia –, »in keinem Verhältnis zur Größe der jüdischen Bevölkerung steht. Einstein, Spinoza, Ehrlich; man kann ohne weiteres eine glänzende Schar von Namen aufzählen, die zur Bereicherung von Philosophie, Musik oder Wissenschaft beigetragen haben. Ich bin kein Idiot; daher erkenne ich das an. Dennoch gibt es einen Unterschied zwischen einzelnen Juden und den Juden in der Masse.«
    »Wenn Juden in einer Masse sind, sind sie mehr sie selbst«, sagte Manasse. »Dasselbe gilt für die Italiener. Dies mag eine der wenigen Regeln sein, von der es keine Ausnahme gibt.« Der Ton sanften Spotts hemmte Gargaglia, der einen Moment ins Wanken geriet. »Damals schien es mir, daß eine beschränkte Verfolgung gerechtfertigt sei, als Instrument nationaler Politik.«
    »Damals?« hakte Manasse ein. »Sie denken heute nicht mehr so?«
    »Ich – ich könnte mich geirrt haben.«
    »Als Politiker, oder als Mensch?«
    »Als Politiker.«
    »Und als Mensch?«
    »Als Mensch – könnte ich mich ebenfalls geirrt haben.«
    Manasse lehnte sich zurück und kratzte seinen fast unsichtbaren weißen Schnurrbart mit dem Zeigefinger. »Lassen wir das Thema Juden«, sagte er. »Ich bin Jude, aber ich bin kein Zionist, kein Fanatiker. Warum? Weil ich Italiener bin, und man kann nicht beides sein, Italiener und ein zionistischer Fanatiker. Ich sprach lediglich von der Verfolgung der Juden, weil ich Verfolgung ablehne, nicht etwa, weil ich meine eigene Rasse mit unvernünftiger Leidenschaft liebte. Die Drangsalierung eines Pferdes durch einen Bauern ist auf ihre Art ebenso abscheulich wie die Drangsalierung einer Minderheit durch eine Mehrheit. Das Böse an sich sollte nicht nach Quantität, sondern nach Qualität beurteilt werden.« Manasse blickte auf den Boden. Plötzlich deutete er auf einen Spalt zwischen den Fliesen. »Sehen Sie«, sagte er. »Da ist eine Spinne. Töten Sie sie!«
    »Warum?« fragte Gargaglia. »Fürchten Sie sich vor Ihr?«
    »Nicht im mindesten. Sie ist ganz harmlos.«
    »Warum sollte ich sie also töten?«
    »Warum sollten Sie sie

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