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Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Titel: Gott und die Staatlichen Eisenbahnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ustinov
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zwei Reihen von Zähnen hatten sich nie recht einigen können, welche nun vor der anderen stehen sollte. Wenn er den Mund schloß, wirkte es immer noch, als stünde er halb offen. Doch sein Verstand war außerordentlich, nicht nur kraft seines Einfallsreichtums, sondern auch auf Grund seiner unglaublichen Disziplin und Schärfe. Er erinnerte sich an alles, was er je gehört hatte, und konnte die Fakten filtern, sie nach Bedeutsamem und Wertlosem sortieren, während er sprach, und wenn er sprach, waren die aus solchen Denkprozessen geborenen Worte stets originell, eindringlich und präzise. »Warum sind Sie gekommen?«
    »Hmm. Sie haben es offenbar ganz angenehm hier, Exzellenz.« Gargaglia war unfähig, sich zu bewegen, während Manasse langsam in die Mitte der Zelle trat. »Sind Sie gekommen, um mich zu verhöhnen?«
    »Ganz und gar nicht«, sagte Manasse verbindlich. »Sie scheinen zu vergessen, daß ich die letzten drei Jahre in Zellen verbracht habe. Wenn ich also die Annehmlichkeit der Ihren bemerke, vergleiche ich sie nicht mit einem Zimmer, sondern mit einer Reihe anderer Zellen. Wie Sie vielleicht wissen, bin ich ein Connaisseur.« Er betrachtete einen Moment das Arrangement der Möbel. »Wie ich sehe, haben Sie einen Stuhl und eine Kiste. Darf ich mich setzen?«
    »Was könnte Sie daran hindern?«
    Manasse lächelte, und seine blaßblauen Augen funkelten vor Belustigung, die allem Anschein nach echt war. »Sie waren immer ein so guter Gastgeber, in alten Tagen«, sagte er aufmunternd. »Möchten Sie nicht, bitte, aus Ihrer Ecke kommen, damit ich mich hier wie zu Hause fühle?« Gargaglia rührte sich nicht.
    »Ich bin unfähig, Ihnen physisch Gewalt anzutun, selbst wenn ich es wollte, denn ich bin schwer krank, und jedenfalls habe ich immer die häßlicheren Seiten des Lebens verabscheut«, fuhr er fort. »Die Ärzte sagen mir, ich muß mich möglichst schonen. Es wäre höflich von Ihnen, wenn Sie mich, aus rein medizinischen Gründen, aufforderten, Platz zu nehmen.«
    »Bitte, setzen Sie sich«, knurrte Gargaglia. Er argwöhnte Ironie in jedem Satz.
    »Danke. Nun, nachdem dies Ihre Zelle ist, werden Sie doch eine Vorliebe haben für eine dieser zwei Sitzgelegenheiten. Für mich ist es unerheblich, denn ich lebe nicht hier. Möchten Sie mir vielleicht andeuten, wo ich mich setzen soll?«
    »Mir egal.«
    »Das kommt wahrscheinlich daher, daß Sie noch nicht lange genug hier sind. Nach ein paar Monaten entwickelt ein Mann Eigenheiten. Nun, falls Sie nichts dagegen haben, werde ich diese hier wählen. Sie erinnert mich.« Er setzte sich auf die Kiste. »Aber, bitte, gesellen Sie sich doch zu mir, in die Mitte der Zelle. Ich verhöre Sie nicht für eine Ermittlung. Ich bin nur zu Besuch.«
    »Ich ziehe es vor zu stehen.«
    Gargaglia sah, daß Manasses Augen unter einem bestimmten Blickwinkel sich voneinander trennten und in verschiedene Richtungen starrten, was ihm vor Gericht den nützlichen Anschein gab, alles zu sehen. Dann wieder waren seine Augen en miniature durch die dicken Gläser seines randlosen Kneifers zu sehen, so daß es schien, als stünden ihm vier Augen zu Gebote.
    »Sie benehmen sich sehr kindisch, falls Sie mir diese Feststellung erlauben. Ich hätte nie erwartet, daß ein hoher Staatsfunktionär mich mit so jugendlichem Trotz begrüßen würde.« Manasse lachte.
    Gargaglia setzte sich, aber um seine Verlegenheit zu verbergen, fragte er: »Kommen Sie in amtlicher Eigenschaft?«
    »Könnte ich schwerlich, da ich kein Beamter bin.«
    »Aber Sie wollen mich doch nicht glauben machen wollen, Sie hätten die Reise nur zum Vergnügen unternommen?« Manasse lachte laut. »Das ist schon besser«, kicherte er. »Der alte Gargaglia, der Journalist mit der ätzenden Feder. Wir sind zusammen zur Schule gegangen, erinnern Sie sich?«
    »Natürlich erinnere ich mich«, erwiderte Gargaglia kurz angebunden.
    »Ja, ich hatte eine rote Haarmähne damals. Sehen Sie nur, was davon übriggeblieben ist – weiß, ein paar Strähnen, aber sie wollen noch immer nicht liegenbleiben, wenn ich sie kämme. Damals habe ich mich immer leicht verliebt, das war, bevor ich lernte, meine Gedanken und meine Gefühle zu organisieren. Der liebeskranke Jude, so nannten sie mich. Und ich erinnere mich an eine ganz zauberhafte Gelegenheit, bei der Sie meinetwegen sehr wütend wurden. Ich war immer ziemlich schüchtern. Sie drohten einem Jungen, ihn zusammenzuschlagen, wenn er es noch einmal sagte – der liebeskranke Jude. Erinnern

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