Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gott wuerfelt doch 1

Gott wuerfelt doch 1

Titel: Gott wuerfelt doch 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Kreutzer
Vom Netzwerk:
beruflichen Tätigkeit gebraucht,
sondern aufgrund ihrer persönlichen Geschichte, so wie auch im Falle von Konrad
Landes. Nur Konrad konnte die für ihn bestimmte Aufgabe übernehmen, und daher
mussten wir ihn dementsprechend ausbilden.“
    „Heißt das, Sie
haben ihn westliche Denkweise gelehrt?“
    „Ja, im Prinzip
schon, wir haben ihm jedoch später auch beigebracht, dass diese westliche
Geisteshaltung perfid und schlecht sei, und wir haben ihm gezeigt, dass er
ausgewählt war, ein Held für sein Land zu werden.“
    „Was bedeutet
später?“
    „Nun, kleine Kinder
verstehen diese Widersprüche noch nicht. Aber mit vierzehn oder fünfzehn Jahren
sind Kinder durchaus noch in der Lage umzudenken. Bei manchen hat das natürlich
auch zu Problemen geführt. Aber meistens hat es funktioniert.“
    Ich spürte, wie die
Unerträglichkeit dieser Aussagen an den Nerven der Zuschauer zerrte.
    „Wie wurde Konrad
Landes erzogen?“
    „Es gab eine
ungarische aber deutschsprachige Krankenschwester und einen ehemaligen Lehrer,
der aus Köln stammte. Die Krankenschwester war faktisch Konrads Ziehmutter, und
der Lehrer wie ein Vater. So war gesichert, dass er auch den rheinischen
Tonfall beherrschte. Diese beiden waren seine Vertrauenspersonen.“
    Dimitrios, dachte
ich, der Lehrer, das war Dimitrios.
    „Was haben Sie ihm
über seine Eltern erzählt?“
    „Wir haben ihm, als
er sechzehn war, gesagt“, Weiser rieb seine Nase, „dass sein Vater und seine
Mutter ihn weggegeben hätten, als er ein Kleinkind war. Sie hätten ihn im Stich
gelassen.“
    „Wie kam es dazu,
dass Konrad in der DDR aufgewachsen ist?“
    „Ich war ja selbst
nicht dabei damals. Was ich weiß, ist Folgendes: Konrad wurde gemeinsam mit
seinem Bruder Walter per Kaiserschnitt geholt. Der damals behandelnde Arzt,
Böhler hieß er, wollte sich einen Orden verdienen.
    Eine Stunde vor der
Geburt der Zwillinge hatte Böhler ein Mädchen tot zur Welt geholt. Dieses
Mädchen wurde den Eltern Landes als ihre Tochter untergeschoben. Konrad aber
wurde zur Seite geschafft und im sozialistischen Sinne herangebildet. Bei
Konrad Landes hat das perfekt funktioniert. Er war zu allem bereit.“
    Manchen Zuschauern
kamen die Tränen. Andere sahen mich an. Ich spürte förmlich ihren Argwohn. Ihre
Gesichter drückten aus, dass sie mich verabscheuten.
    Weiser berichtete
über Konrads Kindheit, und nur er und ich wussten, dass er log. Er erzählte,
dass er von der Staatssicherheit abgestellt war, den Werdegang von Konrad zu
überwachen und darüber zu berichten. Er erzählte, wie er sich jahrein jahraus
mit dem Kind und dem jungen Mann beschäftigt hätte. Doch ich wusste, dass
Konrad ihn gehasst hatte.
    „Konrad wurde
zunehmend ruhig, zum ersten Mal aufgefallen ist mir das, als er fünfzehn Jahre
alt war“, erläuterte Weiser mit schauspielerischer Qualität. „Er wirkte
verschlossen und verdrießlich, ab dem Zeitpunkt, wo wir ihm die Wahrheit
erzählt hatten. Ich sah ihn damals nur noch ein- oder zweimal die Woche. Er
berichtete mir, dass er im Nahkampf ausgebildet werden sollte. Ich erschrak damals
darüber, weil man mir das nicht gesagt hatte.“
    „Gehörte das nicht
selbstverständlich zu einer Ausbildung eines Mitarbeiters bei der
Staatssicherheit?“, fragte der Staatsanwalt.
    „Nicht unbedingt.
Nur solche Mitarbeiter bekamen eine Ausbildung im Kampf, die auch entsprechend
eingesetzt werden sollten. Von Konrad hatte ich stets nur gewusst, dass er eher
auf intellektuellem Wege eingesetzt werden sollte.“
    Weiser putzte sich
die Nase und machte eine längere Pause.
    „Ich fand diese ...
Entwicklung möchte ich es nennen ... beunruhigend“, fuhr Weiser fort, „ich fand
es schade. Er war so ein prächtiger Junge, der hochintelligent war und nahezu
alle Dinge behielt, die er hörte. Er war feinfühlend und gerecht. Ich hatte
irgendwie das Gefühl, dass ihn jemand brechen wollte.“
    „Was haben sie
weiter unternommen?“
    „Nichts. Ich wurde
ja immer mehr abgezogen. Irgendwann bekam ich ihn gar nicht mehr zu Gesicht.
Erst wieder einige Jahre später, nachdem er bereits im Westen war“, beschrieb
Weiser, indem er ein paar Sorgen in seine Stimme gelegt hatte. „Er sollte
seinen Bruder ersetzen und sich dann bei seinen Eltern einschleichen.“ Die
Zuhörer im Saal murmelten durcheinander. Ich hatte das Gefühl, platzen zu
müssen und wollte protestieren, doch mein Anwalt beschwichtigte mich. „Ich habe
beide Brüder auf Kreta gesehen, ich habe sogar Fotos

Weitere Kostenlose Bücher