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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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    Lange vor Ende 1942 war die
Massenvernichtung der Juden allgemein bekannt. Am 1. Juli berichtete die
BBC-Sendung in französischer Sprache von dem Massaker an 700 000 Juden. Eine
Woche später wiederholte Kardinal Hinsley von Westminster diese Ziffer in der
BBC und fügte hinzu: »Dies unschuldige Blut schreit nach Rache.« In diesem
Sommer zeigte sich Vichy-Frankreich begierig, jüdische Kinder zu deportieren,
noch bevor die Nazis in der Besetzten Zone bereit waren, sie in Empfang zu
nehmen. Vom 21. Juli bis zum 9. September zählte ein Kinderarzt 5500 Kinder,
die auf dem Weg zur Vernichtung Drancy passiert hatten. Über tausend waren
unter sechs Jahren. Ihre Eltern waren bereits liquidiert. Sie bekamen jüdische
Vormunde, um die Tatsache zu verschleiern, daß sie Waisen waren. George
Wellers, ein Pariser Rechtsanwalt, war ein solcher Vormund. Er beschreibt die
Szene des Durchgangslagers bei Paris in seinem Buch Drancy. Die Kinder —
in seinem Kontingent waren sechs unter zwei Jahre — waren »wie eine
verängstigte Herde Lämmer«. Seine Beschreibung ihrer Qual ist beklemmend.
Kleinkinder, die ihren eigenen Namen nicht wußten, warteten auf dem
Treppenabsatz, daß ein Erwachsener sie zur Toilette brachte, lagen in ihrem
eigenen Schmutz, weil sie Durchfall hatten, weinten nachts ununterbrochen.
    Am 17. August wurden 530 Kinder
mit ein paar erwachsenen Begleitern in Viehwagen gepfercht und eingeschlossen.
Zwei Tage später waren sie in Auschwitz, und am Abend waren sie tot. Direkt
danach vertraute ein SS-Arzt im Lager seinem Tagebuch an: »Verglichen mit dem,
was ich gesehen habe, scheint einem Dantes Inferno fast ein Komödie.«
Hitlers Hölle verschlang eine Million Kinder.
    Der päpstliche Nuntius in
Paris, Valerio Valeri, hatte am 5. August dem Kardinalstaatssekretär in Rom
berichtet, die Kinder, die aus Frankreich herausgebracht wurden, führen nach
Polen, nicht nach Deutschland. Sieben Wochen später sandte Myron C. Taylor, der
amerikanische Gesandte, Details über die Massenvernichtungen polnischer und
westlicher Juden in Polen an denselben Kardinalstaatssekretär, Maglione.
    Die französische Hierarchie legte
bei der Quisling-Regierung einen sogenannten platonischen Protest ein. Laval
konnte zu Suhard, dem Kardinal von Paris, sagen, er solle sich aus der Politik
heraushalten und schweigen wie Seine Heiligkeit. Als weitere Verhaftungen
folgten, schwieg Suhard in der Tat. Aber im Januar 1943 reiste er nach Rom zu
einer Audienz bei Pius XII. Er hatte gute Nachrichten im Gepäck, in Form von
Petains finanzieller Unterstützung für die Kirche. Nicht ein Wort über die
Juden wurde gewechselt.
    Die Massenvernichtungen der
Juden waren nun allgemein bekannt. Einen Monat vor Suhards Reise nach Rom, am
5. Dezember 1942, schrieb der Erzbischof von Canterbury an die Times, um
den Bericht des vorigen Tages zu kommentieren. »Es ist«, schrieb Seine
Exzellenz, »ein Schrecken jenseits dessen, was die Vorstellungskraft begreifen
kann.« Er bekundete für sich selbst, für die Kirche von England und die
Freikirchen »unsere brennende Empörung über diese Greuel, für die es in den
Berichten aus barabarischen Zeiten kaum Parallelen gibt«. Es gab einen Mann auf
der Welt, dessen Zeugnis Hitler fürchtete, weil viele in seinen Truppen
Katholiken waren. Dieser eine Mann sprach nicht. Angesichts dessen, was Winston
Churchill »wahrscheinlich das größte und grausigste einzelne Verbrechen, das in
der Weltgeschichte je begangen wurde« nannte, zog er es vor, neutral zu
bleiben.
    Im Sommer 1943 wurde Mussolini
abgesetzt, und im darauffolgenden September besetzten die Deutschen Rom. Eine
SS-Abordnung traf ein. Sie forderte 50 Kilogramm Gold von der jüdischen
Gemeinde. Wenn es nicht innerhalb von sechsunddreißig Stunden bezahlt würde,
würden zweihundert Juden deportiert. Pius XII. bot an, das Fehlende
dazuzugeben. Trotzdem wurde nicht ein Mensch gerettet.
    Im Oktober stellte sich ein
SS-Kommando mit Maschinenpistolen an den Grenzen des Vatikans auf. Sie waren
scheinbar zum Schutz Seiner Heiligkeit dort, in Wirklichkeit aber zu seiner
Einschüchterung. Sie hatten offenbar Erfolg. Er sorgte sich nicht um seine
eigene Sicherheit, aber er verfiel — mit Recht oder nicht — in ein noch
tieferes Schweigen, weil er fürchtete, es zu brechen würde die Lage der Juden
noch verschlimmern. In der Nacht vom 15. zum 16. Oktober waren die Juden daheim
und feierten Sabbath. Tausend wurden zusammengetrieben, unter

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