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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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Juden.
     
    Im September 1870 eroberten
italienische Truppen Rom. Sie wurden von Jubelszenen begrüßt, die nur mit der
Wiedereroberung der Stadt durch die Alliierten nach der Nazi-Besetzung im
Zweiten Weltkrieg zu vergleichen sind. Elf Tage nach dem Fall Roms bekamen die
Juden am 2. Oktober 1870 durch königlichen Beschluß die Freiheit, die das
Papsttum ihnen über fünfzehnhundert Jahre lang verweigert hatte. Das letzte
Ghetto Europas wurde aufgelöst. Als das geschah, müssen die Juden gemeint
haben, ihre Leiden seien endlich ausgestanden. Wie konnten sie wissen, daß die
dunkelste Stunde noch kommen sollte?
     
     
    Pius XII. und das große
Schweigen
     
    Das Christentum hatte den Grund
gelegt, indem es siewegen der Religion verfolgte; der
Faschismus verfolgte sie dann wegen ihrer Rasse. Trotz aller Grausamkeit hatten
die Päpste gehofft, die Juden zu bekehren; Hitler und sein zögernder
Verbündeter Mussolini planten, sie auszurotten.
    Trotz der riesigen Unterschiede
sind die Ähnlichkeiten zwischen den Dekreten Innozenz’ III. und Pauls IV.
einerseits und den Nürnberger Gesetzen von 1935 andererseits unbestreitbar. Die
Christen hatten es auf die Juden abgesehen: als Parias, Besudler der Erde,
verantwortlich als Rasse für das größte Verbrechen, das die Menschheit je
gekannt hatte: den Mord an Gott. Christen haben die Idee erfunden, Häuser,
Grundstücke und Friedhöfe der Juden zu enteignen, sie zur Auswanderung zu
zwingen, sie einzusperren. Als die Nazis die jüdischen Quartiere »Ghettos«
nannten, zielten sie ausdrücklich darauf ab, ihrer Politik eine Kontinuität zu
der der Päpste und eine Art Achtbarkeit zu geben.
    Pius XI., der 1939 starb, war
sich bewußt, daß Jesus, Maria und Josef Juden waren. Er stellte sich gegen
einen rohen Rassismus in Deutschland und schrieb eine antifaschistische
Enzyklika, die bei seinem Tod unveröffentlicht war. Sein Nachfolger war
vorsichtiger.
     
    Eugenio Pacelli, Pius XII.,
wurde 1876 in eine Patrizierfamilie hineingeboren. Wegen seiner schlechten
Gesundheit studierte er daheim für das Priesteramt. 1899 wurde er ordiniert und
sofort zum vatikanischen Staatssekretariat eingezogen. Sechzehn Jahre später
wurde er Bischof, ohne einen einzigen Tag pastorale Erfahrung gemacht zu haben.
Er war zum Bürokraten geboren und erzogen.
    Sein Großvater Marcantonio war
weltlicher Kirchenrechtler gewesen und hatte in der römischen Rota gedient.
Sein Vater Filippo, ebenfalls Kirchenrechtler, war Dekan des Kollegiums der
Konsistorialanwälte und so angesehen, daß er als einziger Laie an dem neuen
Kodex des Kirchenrechtes mitarbeitete, das 1918 in Kraft trat. Eugenio, Jurist
in der Familientradition, war die rechte Hand des Kardinals Gasparri, der die
Idee gehabt hatte, den Kodex zu restrukturieren und der die Arbeit in jeder
Phase leitete.
    Gegen Ende des Ersten
Weltkrieges war Pacelli päpstlicher Nuntius in München. Nach dem Krieg wurde er
nach Berlin versetzt, wo er das Aufkommen der Braunhemden miterlebte. 1929
wurde er nach Rom zurückberufen, wo er zum Kardinal und Staatssekretär ernannt
wurde. Ihn begleitete Schwester Pasqualina, eine deutsche Franziskanerin, die
ihm den Haushalt führte.
    Obwohl er den
Nationalsozialismus aus der Nähe gesehen hatte, fürchtete er den Kommunismus stets
mehr.
    Kardinal Pacelli wurde am 2.
März 1939 Papst. Er war dreiundsechzig Jahre alt. Er war kalt, distanziert und
ausdruckslos, außer wenn er auf den Jubel der Menge reagierte, hatte braune,
schwache Augen und im Profil das Gesicht eines Adlers.
    Als Mussolini begann, die
jüdische Gemeinde unter Druck zu setzen, nahm Pius seine Gewohnheit an, nichts
zu sagen. Am 4. Juni 1940 trat Italien auf Hitlers Seite in den Krieg ein. Ende
1941 hatten drei Viertel der italienischen Juden ihre Lebensgrundlage verloren.
Die Bühne war bereit für die eine päpstliche Enzyklika, die viele, auch
Katholiken, für die schändlichste von allen halten, weit schrecklicher als
Pauls IV. Cum nimis absurdum. Es war die, die nie geschrieben wurde.
     
    In ganz Italien und dem Reich
wurden die Juden systematisch zu Opfern gemacht und in vielen genau bekannten
Fällen getötet. Nicht ein unmißverständliches Wort der Verurteilung kam vom
Vatikan. Dies Schweigen, sagen viele, war schlimmer als jede Häresie. Rom, das
sonst so schnell dabei war, die geringste Abweichung vom Glauben, jeden
»Fehler« etwa bei der Sexualmoral zu korrigieren und zu verdammen, hielt den
Mund fest und, wie sich herausstellte,

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