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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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Unkenntlichkeit verändert und kam ohnehin
ein wenig zu spät. Darin klingt nicht wirklich an, wie in Johannes’ großem
Gebet um Vergebung, daß die kirchliche Lehre und das Verhalten von Katholiken
über die Jahrhunderte zum Antisemitismus beigetragen haben. Auf dem Konzil
wurden die Juden als Zugeständnis an Einwände einiger Bischöfe nicht einmal von
der Anklage des Gottesmordes freigesprochen. Der neue Papst, Paul VI., war für
einen abgeschwächten Text. Sein Mangel an Takt gegenüber Juden kam später in
einer Predigt zum Vorschein, die er am Passionssonntag 1965 hielt. »Den Juden«,
sagte er, »war es verheißen, den Messias zu empfangen, und sie hatten Tausende
von Jahren auf ihn gewartet. Als Christus kommt, erkennt ihn das jüdische Volk
nicht nur nicht, sondern es ist gegen ihn, verleumdet ihn und tötet ihn
schließlich.« Nach dem Holocaust, nach all den Beratungen des Konzils, gab der
Papst, ein gütiger Mann, wieder der ganzen jüdischen Rasse die Schuld am Tod
Jesu. Monsignore John M. Oestereicher, der das Originaldokument von Vaticanum
II über die Juden entwarf, räumte ein: »Die Konzilsväter hätten den Petersdom
von dem Ruf widerhallen lassen können: »Nie wieder Konzentrationslager! Nie
wieder Gaskammern! Nie wieder Versuche des Völkermordes! Nie wieder
Judenverfolgung!‹« Sie hatten nicht einmal das Herz zu sagen, man dürfe den
Juden nicht die Schuld am Tod Gottes geben.
     
     
    Papst Johannes Pauls längste
Reise
     
    Sie vereinbarten, sich im
Frühjahr zu treffen, kurzvor dem Passahfest 1986 nach
dem christlichen Kalender. Papst Johannes Paul hatte jeden Kontinent bereist,
doch dies sollte seine längste Reise sein. Er holte tief Atem, als er sich
anschickte, dies verzierte Gebäude zu betreten, das praktisch in Sichtweite
seines eigenen Palastes im Vatikan steht. Vielleicht tausend Menschen drängten
sich in dem für ein paar hundert bestimmten Raum. Das Hauptportal war weit
offen, als er aus dem hellen Sonnenlicht in den Schatten der Synagoge trat.
    In gewissem Sinn sind die Juden
die ältesten Pfarrkinder des Papstes. Sie lebten auf den Straßen von
Lungotevere de’ Cenci, als vor fast zweitausend Jahren ein Fischer aus Galiläa
kam, um bei ihnen zu wohnen. Seit damals haben Juden und Päpste, die einzigen
Überlebenden des kaiserlichen Rom, einander nie vergessen.
    An diesem Tag waren unter den
versammelten Juden vierzig, die wie Gespenster eines vergangenen Zeitalters
blaue Tätowierungen an den Armen hatten. Sie waren Überlebende der
Nazi-Vernichtungslager. Johannes Paul wurde vom Oberrabiner Elio Toaff
empfangen, auch er in Weiß, bis auf die schwarzen Streifen auf seiner
Gebetsstola. Der Rabbi befühlte seinen spitzen, weißen Bart, der Oberhirte
umfaßte sein goldenes Brustkreuz, von dem viele in der Gemeinde die Augen nicht
lassen konnten. Sie hatten viel um dieses Kreuzes willen gelitten. Beide Männer
wußten, dieses Treffen würde Geschichte machen. Beide waren sich auch bewußt,
daß es in ihren Religionsgemeinschaften Mitglieder gab, die es nicht gut
aufnehmen würden, daß der Bischof und der Oberrabiner von Rom sich in dieser
feierlichen liturgischen Jahreszeit in der Synagoge trafen, die vor dem
Aufstieg Hitlers Herz und Seele des letzten europäischen Ghettos gewesen war.
Viele der anwesenden Juden wußten, was Pius X. 1904 gesagt hatte, weil Golda
Meir es in ihrer Autobiographie berichtet: »Wir können nicht verhindern,
daß Juden nach Jerusalem gehen, aber Wir würden es nie sanktionieren.... Die
Juden haben Unseren Herrn nicht anerkannt; Wir können die Juden nicht
anerkennen.« Toaff hatte ein weiteres Problem. Er konnte nicht vergessen, daß
einer seiner Vorgänger, der Oberrabiner Israel Zolli, 1945 Katholik geworden
und den Namen Eugenio angenommen hatte, aus Dankbarkeit dafür, daß Pius XII. im
Zweiten Weltkrieg Juden Unterschlupf gewährt hatte. Seit Konstantin hatte es
keine so überraschende Bekehrung gegeben.
    Mit einem traurigen Lächeln und
tiefer Achtung blickte der Papst auf die Gemeinde, bevor er eine Rede begann,
in der er Haß und Verfolgungen gegen die Juden beklagte, »von wem sie auch
kamen«. Die letzten Worte wiederholte er. Ein sporadisches Aufbranden von
Beifall wurde von der ganzen Versammlung aufgegriffen, daß sich die Balken
bogen. Als er seinen Abscheu vor dem Nazi-Völkermord ausdrückte, weinten viele
offen. Sie wußten, daß er, ein Pole aus Krakau, nur wenige Kilometer von
Auschwitz entfernt, ihren Schmerz begriff. Drei

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