Gottes erste Diener
machen. Es funktionierte. Den Bürgern Roms wurde klar, daß sie
nicht nur ihr Erbe verlieren würden, sondern ihre wichtigste Einnahmequelle;
sie fügten sich zum Schulterschluß, und die Gefahr war abgewendet.
1370 ließ Papst Urban V. die
Häupter in juwelenbesetzte Silberbüsten fassen. Dies war das Vorspiel zu einem
weiteren Drama.
1438 lag ein reicher Venezianer
im Sterben. Auf Ärzte hoffte er nicht mehr, und so betete er zu Petrus und
Paulus: Er gelobte, er würde ihre Reliquiare mit einer sehr kostbaren Perle
schmücken, wenn er sich erholte. Dies geschah, und er hielt sein Wort. Wenig
später stellte sich heraus, daß an den Reliquiaren ein Dutzend Perlen, zwei
Rubine von siebenundvierzig und achtundvierzig Karat, ein Saphir und drei große
Diamanten fehlten. Auch die venezianische Perle war gestohlen worden,
wahrscheinlich gerade am Festtag Peter und Paul, als die Reliquien ausgestellt
waren.
Die Schuldigen wurden bald
aufgespürt. Zwei Vettern gestanden, daß sie ihre Beute im Haus ihres Onkels
versteckt hatten.
Sie wurden zur Volksbelustigung
in Rom. Als Höhepunkt des Karnevals auf der Piazza S. Giovanni in Laterano
hackte man den beiden jungen Männern die rechte Hand ab und verbrannte sie
dann. Ihr Onkel wurde als bloßer Empfänger milder behandelt — erst mit
rotglühenden Zangen gezwickt und dann gehenkt.
1799 stahlen Napoleons Soldaten
die Reliquiare. Sie nahmen die Juwelen mit, auch die Perle, ließen aber die
Reliquien zurück. Diese wurden, wie verlautete, mit intaktem Originalsiegel
gefunden. Nichts war übrig als Wirbel, ein Kieferknochen mit ein paar losen
Zähnen und ein Stück Schädel. Neue Goldreliquiare wurden gemacht, und nun ruhen
die Häupter in dem Schrein über dem päpstlichen Altar des Lateran. Dort sind
strenggenommen beide Apostel zusammen begraben. Da der Lateran auch »Mutter und
Haupt aller Kirchen in Stadt und Welt« ist, hätte der Papst sicher dort am
Festtag Peter und Paul die Messe feiern sollen.
Es gibt einen sehr triftigen
Grund, warum er das nicht tat.
Der Papst liest die Messe mit
dem Rumpf Petri unter seinen Füßen. An die 70 Meter über seinem Kopf ist etwas
viel Wichtigeres als die Überreste Petri: Worte des Herrn. In über eineinhalb
Meter hohen Lettern, die um die Kuppel verlaufen, steht das berühmteste aller
Wortspiele: »Tu es Petrus, et super harte petram aedifleabo ecclesiam meam,
et portae inferi non praevalebunt adversus eam« — Du bist Petrus, und auf
diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden sie
nicht überwältigen. Die Gelehrten nehmen an, daß das Wortspiel im
ursprünglichen Aramäisch perfekt war: Sowohl Petrus als auch Fels heißen Kepha.
Dies ist der Text, der den Hintergrund zu Johannes Pauls gesamtem Denken
bildet. Wer wollte bezweifeln, daß er diesen Text oft in aller Demut zur
Meditation nimmt? Dieser Text ist der Grund, warum Päpste den Festtag Peter und
Paul heute lieber im Petersdom feiern als im naheliegenderen Lateran. Denn die
römischen Oberhirten beanspruchen, Nachfolger nicht von Petrus und Paulus,
sondern von Petrus allein zu sein. Das Neue Testament spricht von Petrus als
Apostel der Juden und Paulus als Apostel der Heiden. Doch für den Papst war
Petrus Paulus’ Vorgesetzter; Petrus hatte die Rechtsprechung über Paulus und
die anderen Jünger. Diese Autorität war Petrus vom Herrn selbst gegeben — mit
den Worten, die um die große Kuppel stehen. Diese höchste Autorität hat er,
Johannes Paul, geerbt. Warum, so muß Seine Heiligkeit sich fragen, können
Protestanten nicht logisch sein? Jesus, der Sohn Gottes, hat Petrus die
Herrschaft über die Kirche gegeben; diese Herrschaft muß als ständiges Amt in
der Kirche bleiben; er, Johannes Paul, ist der gegenwärtige Inhaber dieses
Amtes.
Es gibt allerdings eine andere
Auslegung dieses Textes, und ihr Stammbaum ist besser, als den meisten
Katholiken klar ist. Es mag sie schockieren zu hören, daß die großen
Kirchenväter keinen Zusammenhang zwischen dem Text und dem Papst sahen. Nicht
einer von ihnen bezieht »Du bist Petrus« auf irgend jemand anderen als Petrus.
Einer nach dem anderen analysiert ihn: Cyprian, Origenes, Kyrill, Hilarius,
Hieronymus, Ambrosius, Augustinus. Das sind nicht gerade Protestanten. Nicht
einer von ihnen nennt den Bischof Roms einen Fels oder bezieht die Verheißung
mit den Schlüsseln spezifisch auf ihn. Dies ist für Katholiken so unfaßbar, als
fänden sie bei den Kirchenvätern den Heiligen
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