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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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des
Evangeliums an Petrus auf sich zu beziehen. So groß war jetzt das Prestige der
römischen Bischöfe, daß Gelehrte die Schriften nach Texten durchsuchten, die
seine Rolle als weltlicher Herrscher und Patriarch des Westens untermauern
konnten. Was könnte eleganter sein, als Texte, die sich im Evangelium nur auf
Petrus bezogen, dem Bischof zuzuordnen, der in der Stadt herrscht, wo Petrus
starb? Die Evangelien haben das Papsttum nicht gestiftet; sobald das Papsttum
entstanden war, stützte es sich auf die Evangelien. Diese Unterstützung kam
nicht von selbst — es gehörte Können dazu, aus Aussagen eines armen Tischlers
an einen ebenso armen Fischer Aussagen an einen königsähnlichen Oberhirten zu
machen, der wenig später Herr der Welt genannt wurde. An diesem Festtag im
Petersdom fühlt Johannes Paul sich nicht als Herr der Welt, sondern als
oberster Hirte seiner Herde. Er erteilt seinen Schlußsegen, und die Menge
bricht in Beifall aus. Zum erstenmal seit seinem Einzug in die Basilika erlaubt
sich der Papst ein Lächeln. Die heilige Liturgie ist beendet, er geht durch das
Schiff zurück zur Sakramentskapelle und spendet Segen nach rechts und links auf
seinem Weg. Für viele von denen, die nun aus der Basilika strömen, war dies der
denkwürdigste Tag ihres Lebens.
     
    Die Basilika wird wieder wie
sonst, und man ist versucht zu fragen: Wenn Petrus aus seinem Grab unter der
Kuppel auferstünde und erführe, daß all dies ihm zu Ehren erbaut wurde — wie
würde er wohl reagieren? Natürlich wäre jeder, der nach nur fünfzig Jahren von
den Toten erweckt würde, zutiefst erschüttert, und Petrus starb vor über
neunzehn Jahrhunderten für Christus. Wer weiß, wie er auf die Wunder der
modernen Technik reagieren würde: Flugzeuge, Autos, Fernsehen, Telefone? Allein
im Petersdom sind achtzig Telefone — man wähle 3712, und das Telefon wird im
Schatten des Hochaltars klingeln. Die Verbreitung der Kirche und ihrer
Organisation würden ihn auch erstaunen. Eine lockere Gemeinschaft jüdischer
Fischer und ihrer meist bäuerlichen Anhänger muß anders sein als eine weltweit durchorganisierte
Kirche mit fast einer Milliarde Mitgliedern.
    Die einzig faire Frage ist:
Wenn Petrus als Pilger wiederkäme, wie würde er die Vorgänge im Vatikan nach
den Maßstäben des Evangeliums beurteilen?
     
    Jesus wurde in einem Stall
geboren. In seinem Dienst hatte er keinen Ort, wo er sein Haupt betten konnte.
    Heute bewohnt sein
Stellvertreter einen Palast mit elftausend (sic) Zimmern. Dazu kommt noch
Castelgandolfo über dem Albano-See, wo die Päpste Zuflucht vor der Sommerhitze
suchen. Das schöne Castelgandolfo, das etwas größer ist als der Vatikan, hat
nun einen nicht ganz billigen Swimmingpool, den Johannes Paul sich für seinen
persönlichen Gebrauch bauen ließ.
    Jesus hat auf Besitz
verzichtet. Er hat immer gelehrt: »Geh und verkaufe alles, was du hast, und gib
den Erlös den Armen; dann komm und folge mir nach.« Den Reichen und Mächtigen
predigte er den Untergang. Sammelt euch Schätze im Himmel, sagte er, denen Rost
und Motten nichts anhaben können.
    Der Stellvertreter Christi lebt
inmitten von Schätzen, die zum Teil heidnischen Ursprungs sind. Jeder
Vorschlag, der Papst solle alles verkaufen, was er hat, und den Armen geben,
wird mit Hohn quittiert und als nicht machbar bezeichnet. Der reiche junge Mann
im Evangelium hat auch so reagiert.
    Sein ganzes Leben lebte Jesus
einfach; er starb nackt und opferte sein Leben am Kreuz.
    Wenn der Papst in seinem
Hochamt dieses Opfer erneuert, könnte man sich keinen größeren Kontrast
vorstellen. Ohne irgendeinen ironischen Sinn ist der Stellvertreter Christi in
Gold und kostbarste Seiden gewandet. Dies hat oft Anstoß erregt. Im vierzehnten
Jahrhundert zum Beispiel beschrieb der große Petrarca eine Papstmesse in
Avignon, die weit weniger glanzvoll war als die gerade beschriebene im
Petersdom. »Ich bin verblüfft«, schrieb Petrarca, »wenn ich mich an die
Vorgänger des Papstes erinnere und diese Männer mit Gold beladen und in Purpur
gekleidet sehe. Wir scheinen es mit Perser- oder Partherkönigen zu tun zu
haben, vor denen wir niederfallen und huldigen müssen. O Apostel und frühe
Päpste, ihr ungekämmten, ausgemergelten alten Männer, habt ihr euch für dies
hier geplagt?«
    Jesu einziger Titel wurde ihm
zum Hohn von Pilatus verliehen: »König der Juden«.
    Im Päpstlichen Jahrbuch sieht
Petrus, daß der Papst ein Dutzend glanzvoller Titel hat, auch den

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