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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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blutverkrustet. Hitze und Gestank waren unerträglich. Von
Flöhen und Ratten zerbissen, alt und dünn lag er auf einem Bett aus klammem
Stroh. Er war der glücklichste Mann in Rom, vielleicht auf der ganzen Welt.
    Seine Kerkermeister nannten
dies »Einzelhaft«; der Gefangene wußte, er war nie weniger allein gewesen. In
seinem Herzen war der Meister, dem er vor all den Jahren gedient hatte, bei den
blauen Fluten eines Binnenmeeres. In der Finsternis lebte er im strahlenden
Licht Christi. In Ketten war er ein freier Mensch.
    Die Erinnerungen überströmten
ihn. Er erinnerte sich an den Ruf: »Komm, folge mir nach.« Er ließ alles
fahren: Netze, Lebensunterhalt, Unabhängigkeit. Er gab sein Wort und nahm es
nie zurück, trotz des einen Rückfalls.
    Es gab Dinge, für die er sich
schämte. Als der Meister zum Beispiel andeutete, sie müßten nach Jerusalem
gehen, wo der Tod ihn erwartete, protestierte Petrus. Jesus fuhr ihn an: »Hinweg
von mir, Satan.« Das klang noch in seinen Ohren. Petrus verstand damals nicht.
Wie konnte er auch! Noch Schlimmeres sollte folgen. Im Garten Gethsemani hatte
ihn Jesus — so einsam, so voller Angst — spätabends nach dem Passamahl gebeten,
zu wachen und zu beten. Damals war der Gefangene jung, er brauchte mehr Schlaf
als heute, doch die Erinnerung beschämte ihn. Er fühlte noch immer die Hand auf
seiner Schulter, die ihn wachrüttelte, und die sanfte Stimme, verletzt, aber
nicht zornig: »Konntet ihr nicht eine Stunde mit mir wachen?« Die Diener des
Hohepriesters kamen mit Speeren und Schwertern, um Jesus zu verhaften. Der
Gefangene hatte ein Schwert ergriffen und auf das Ohr eines Dieners namens
Malchus eingeschlagen. Jesus haßte Schwerter. Er sagte Petrus, der beste Platz
für Schwerter sei die Scheide, und tat unter ständigen Entschuldigungen sein
Bestes für Malchus.
    An diesem Punkt liefen Petrus
und die übrigen fort. Welchen Sinn hatte es, bei einem Mann zu bleiben, der
nicht bereit war, sich zu verteidigen, der seine Feinde wie Freunde behandelte?
    Petrus war in den Hof des
Hohepriesters nachgekommen. Er versuchte, sich am Feuer zu wärmen, doch die
Kälte, die ihn packte, war nicht in seinen Gliedern. Jetzt, in der Bruthitze
der Zelle, schüttelte es ihn bei der bitteren Erinnerung daran, daß er seinen
Meister einer Dienstmagd gegenüber verleugnet hatte. Er würde nie vergessen,
wie Jesus ihn angesehen hatte, als er hinausgeführt wurde wie ein Lamm zur
Schlachtbank. Kein Wort, nur ein Blick. Er galt als zäher Bursche, doch jetzt
zerriß es ihn, und er weinte wie ein Kind, als er fortging.
    Am nächsten Tag muß er die
Kreuzigung aus großer Entfernung beobachtet haben. War dies das Ende? Oder
würde Gott eingreifen und Jesus retten, die Nägel herausziehen, ihn seinen
Jüngern zurückgeben, unversehrt und triumphierend? Wenn das so wäre, würde es
beweisen, daß er der Messias war, der Gesalbte Gottes, der sie zur Herrlichkeit
führen würde. Das Unglaubliche war, daß nichts geschah. Kein Engel kam, ihn zu
stärken. Er starb einfach.
    Petrus sah Soldaten, die seine
Leiche vom Kreuz nahmen und die der anderen beiden, die mit ihm gekreuzigt
worden waren. Er war zerschmettert. Das Kreuz schien zu zeigen, daß Jesus zwar
sehr liebenswert war, aber ein falscher Messias, der sich täuschte wie so viele
andere. Petrus ging mit seinen Freunden aus Galiläa heim. In Galiläa, wo ihn
Jesus einst am Seeufer gerufen hatte, hatte er eine Auferstehungserfahrung.
Paulus sagte später, Petrus habe Jesus als erster gesehen. In einer
Inspiration, einer Vision, die nicht von Fleisch und Blut kam, begriff er, daß
das Kreuz nicht das Ende war, sondern der Anfang; es war beides, Skandal und Erlösung. Er überzeugte die anderen Jünger; sie hatten die gleiche Erfahrung.
Auch sie sahen den Herrn.
    Später verbreiteten sich
komplizierte Geschichten darüber, daß Jesus in einem unbenutzten Felsengrab
bestattet worden sei, daß der Stein an dem Tag, der später Ostern hieß,
fortgewälzt worden sei und ein leeres Grab offenbart habe. Die Geschichten
widersprachen einander in vielen Punkten. Doch sie drückten auf jüdische Weise
die Erfahrung der Jünger aus: Jesus war am Kreuz kein Verdammter; durch es
wurde er Herr und Christus. Er war doch der Messias. Er war auferstanden.
    Die Jünger waren nach Jerusalem
zurückgegangen und hatten ihren Glauben gepredigt. Um anderen den Glauben zu
erleichtern, erzählten sie, wie sie mit Jesus nach seiner Auferstehung gegessen
und getrunken

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