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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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schwer einzusehen, warum der Embryo
immer gleichwertig mit der Mutter ist.
    Im folgenden Jahr stimmte
Vaticanum I der Unfehlbarkeit des Papstes zu. Von nun an erwarteten die
Bischöfe, daß Rom alle Probleme für sie beantwortete. Nun begann Zacchias
Meinung, daß die Beseelung bei der Empfängnis geschieht, verstärkt durch Pius’
Definition der Unbefleckten Empfängnis Mariens, Theologen — und besonders
römische Theologen— zu überzeugen, daß von der Empfängnis an ein Mensch
vorhanden ist. Da der Embryo ein Mensch ist, hat er alle absoluten Rechte des
Menschen. Inzwischen hatte Karl Ernst von Baer 1827 die Eizelle entdeckt. 1875
wurde bewiesen, daß das Zusammenwirken von Samen- und Eizelle sofort einen
neuen Organismus hervorbrachte, der sich dann kontinuierlich zu einem Kind
entwickelte.
    Die vatikanische Pastorallehre
verfestigte sich in Übereinstimmung mit diesem neuen Denken. Das Heilige
Offizium versperrte jeden möglichen Weg zur Abtreibung. Nichts war erlaubt, was
den Embryo auf irgendeine Weise gefährdete. Es galt als unsicher zu lehren, daß
Kraniotomie (Zerschneiden des Schädels) zulässig sei, selbst um der Mutter das
Leben zu retten. Im Jahr 1895 billigte Leo XIII. eine noch reaktionärere
Entscheidung des Heiligen Offiziums. Der Fall, um den es ging, lag so: Eine
Mutter sah ihrem sicheren Tod entgegen. Wenn der Fötus nicht entfernt wurde,
würden beide sterben. Die Antwort lautete: Die Ärzte durften den Fötus nicht
entfernen, obwohl dies zur Folge hatte, daß sowohl die Mutter als auch der
Fötus sterben würden.
    Weitere reaktionäre
Entscheidungen folgten. Den Ärzten wurde die Erlaubnis verweigert, etwas gegen
Bauchhöhlen- und Eileiterschwangerschäften zu unternehmen. Dies war Fatalismus
einer zerstörerischen Art. Was die Natur getan hat, darf der Mensch nicht
rückgängig machen. Würde dies Prinzip logisch durchgehalten, wäre es in jedem
Zweig der Medizin katastrophal. Es ist klar, was in Rom geschah. Je mehr die
Gesellschaft Abtreibungen aus ernsten medizinischen Gründen billigte, desto
mehr mißbilligte sie der Vatikan. Im kirchenrechthchen Kodex von 1917 wurde zum
erstenmal die Mutter in die Verurteilung der Abtreibung mit einbezogen.
    Schließlich lehrte Casti
connubii, wie wir sahen, dreizehn Jahre später, daß »Du sollst nicht töten«
sich auf den Fötus in jeder Entwicklungsstufe bezog. Nicht einmal extreme
Notwendigkeit konnte die direkte Tötung des Unschuldigen im Mutterleib
rechtfertigen, denn dieser Unschuldige hatte ein absolutes Recht auf Leben.
»Beider Leben ist gleich heilig«, sagte der Papst, anscheinend ohne sich die
moralischen Sackgassen klarzumachen, die aus der extremen Sicht Sixtus’ V.
folgten. Zum Unglück der Kirche wurde diese extreme Position gerade in dem
Moment zur neuen Orthodoxie, als sie aufgrund fortgeschrittener medizinischer
Techniken weniger akzeptabel war denn je. Operationen wurden sicherer, und die
Ärzte begannen, die Gefahren einer ausgetragenen Schwangerschaft genau
vorauszusagen.
    Pius XI. beanspruchte für Casti
connubii keine Unfehlbarkeit, doch sie steckte katholischen Moraltheologen
enge Grenzen. Der Papst schien sogar indirekte Abtreibungen zu verurteilen.
Dies ist zum Beispiel die Entfernung eines verkrebsten Uterus, wenn die Frau
schwanger ist, oder das Ausschneiden eines Eileiters, wenn der Embryo dort
eingenistet ist statt im Uterus. Dies war so extrem, daß einige Moraltheologen
sich weigerten, es zu akzeptieren und dadurch ihre Stellung in Gefahr brachten.
Ihr Mut wurde belohnt, denn der Vatikan machte eine Konzession: Er verurteilte
keine indirekten Abtreibungen mehr, wenn die Absicht nicht die Tötung des
Embryos war, sondern die Rettung der Mutter. Pius XII. bestätigte dies endlich
1951. Dann war es offiziell: »indirekte Tötung« war in bestimmten Fällen
zulässig.
    Dennoch führt diese immer noch
strenge Lehre zu inakzeptablen Folgen in der Medizin. Wenn der Arzt zum
Beispiel beschließt, den Embryo aus dem Eileiter zu entfernen, ohne den
Eileiter selbst herauszuschneiden, sündigt er. In den Augen des Vatikans ist
das eine direkte, keine indirekte Tötung des Embryos. Deshalb fühlen fast alle
unsere Moraltheologen sich bemüßigt zu sagen, es sei besser, den Eileiter mit
dem Embryo zu entfernen, als den Embryo zu entfernen und den Eileiter intakt zu
lassen — obwohl die erste Vorgehensweise künftige Schwangerschaften unmöglich
macht. Dies ist wieder ein Bereich, wo Frauen männlichen katholischen

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