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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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praktizierende Katholiken) und der wiederholten
Brandmarkung der Abtreibung durch die polnische Hierarchie ist die legale
Abtreibungsrate hoch und die Geburtenrate niedrig.«
    Beispielsweise war 1962, als
der Papst Bischof in Polen war, die Abtreibungsrate weit höher als in Amerika.
Sie war sogar höher, als sie in Amerika heute ist, nach dem Verfassungsurteil
des Supreme Court! Es gab 200 000 registrierte Abtreibungen in einer
Bevölkerung von rund 30 Millionen. Außerdem war ein wunderbar finanziertes und
organisiertes Programm zur Geburtenkontrolle eingerichtet, das Katholiken auch
wahrnahmen. Eine bemerkenswerte Tatsache ergibt sich daraus: Polen war nicht
etwa ein Land, in dem keine empfängnisverhütenden Mittel genommen wurden,
sondern das erste Land der Welt, in dem vernünftige Empfängnisverhütung
tatsächlich die Abtreibungsrate reduzierte. 1968 fiel die Zahl der Abtreibungen
auf 121 700. Dennoch blieb die Abtreibungsrate im Verhältnis zur Geburtenrate
sehr hoch.
    Es ist klar, daß Johannes Paul
kein Trauma erlitt, als er von Krakau in den Vatikan zog. In seinem Heimatland
gab es reichlich Empfängnisverhütung und Abtreibung. Seine Opposition gegen
beide Praktiken kommt nicht aus seinem behüteten Katholizismus, sondern aus
seinen Überzeugungen, die die Polen verraten haben.
    Wie wir festgestellt haben,
bestätigt die Geschichte nicht die Sicht des Vatikans, seine gegenwärtige
Opposition gegen die Empfängnisverhütung sei »beständig«. Ist seine Haltung zur
Abtreibung denn so beständig, wie er sie sehen möchte?
    In seinen Reden setzt Johannes
Paul gewisse Dinge voraus: (1) Das Ungeborene ist ein Mensch, (2) es ist vom
Augenblick der Befruchtung an ein Mensch, (3) es hat daher genau die gleichen
Rechte wie jeder andere Mensch — etwa die Mutter oder die schon geborenen
Kinder, (4) das Ungeborene direkt zu töten ist immer Mord.
    Selbst wenn er in jedem Punkt
recht hat, wieviel davon ist beständige katholische Lehre? Die Antwort lautet:
nichts davon. Jedes Stadium seiner Argumentation ist untraditionell, und dies
macht es notwendig, seine Argumentation zur Abtreibung wie die Pauls VI. zur
Empfängnisverhütung einer sorgfältigen Analyse zu unterziehen.
     
     
    Wird die Seele bei der
Empfängnis eingegeben?
     
    Die meisten Katholiken nehmen
an, daß dieSeele bei der Empfängnis eingegeben wird.
Sie mögen es für einen Glaubensartikel halten .Doch das ist es tatsächlich
nicht. Vaticanum II ließ die Frage absichtlich beiseite, und dies aus einem
sehr guten Grund. Vierzehnhundert Jahre lang, bis ins späte neunzehnte
Jahrhundert, hielten alle Katholiken einschließlich der Päpste es für
selbstverständlich, daß die Seele nicht bei der Empfängnis eingegeben wird. Die
Kirche war wohl gänzlich gegen Abtreibung, nicht aber weil das Ungeborene von
Anfang an Mensch war.
    Seit dem fünften Jahrhundert
akzeptierte die Kirche fraglos die primitive aristotelische Embryologie. Der
Embryo begann als nichtmenschliches Pünktchen, das nach und nach beseelt wurde.
Dieses Pünktchen mußte sich aus einem vegetativen über ein animalisches bis zum
geistigen Wesen entwickeln. Erst in seiner Endphase war es ein Mensch. Deshalb
konnte Gratian sagen: »Wer eine Abtreibung vornimmt, bevor die Seele im Leib
ist, ist kein Mörder.«
    Die Merkmale des Fötus wurden
allein dem Vater zugeschrieben. Er bzw. korrekterweise »es« wurde mit vierzig
Tagen beim männlichen und mit achtzig Tagen beim weiblichen Geschlecht ein
Mensch. Ein Mädchen war, schrieb Thomas von Aquin, auf schadhaften Samen oder
feuchte Winde bei der Zeugung zurückzuführen. Daraus folgte, daß Abtreibung im
Frühstadium der Schwangerschaft Unrecht war, weil dabei ein potentieller Mensch
vernichtet wurde. Es war nicht Mord, weil kein tatsächlicher Mensch getötet
wurde.
    Im fünfzehnten Jahrhundert
begannen Moraltheologen zu fragen, ob es unter bestimmten Umständen nicht
möglich sei, ohne Schuld den Fötus loszuwerden. Etwa, wenn er das Ergebnis von
Vergewaltigung, Inzest oder gar Ehebruch war und so die Rechte des Ehemanns und
die Ehe selbst bedrohte. Das gleiche Dilemma ergab sich im Fall einer Mutter,
deren Gesundheit in Gefahr wäre, wenn sie ein Kind austrüge. War es nicht eine
moralische Pflicht, ein menschliches Leben auf Kosten eines nichtmenschlichen,
wenn auch potentiell menschlichen Lebens zu retten? Einige der besten Theologen
antworteten mit ja.
    Einige gingen noch weiter. Sie
sagten, es sei zulässig, das Leben einer Mutter zu

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