Gottes erste Diener
außerordentlich schwierig, die Empfängnis
als den Moment zu identifizieren, in dem ein Mensch mit allen Rechten einer
Person zu existieren beginnt. Fachleute schätzen, daß von drei befruchteten
Eizellen mindestens eine spontan abgeht, ohne daß die Frau es merkt. Muß man
daraus schließen, daß buchstäblich ein Drittel der Menschen oder mehr in den Abfluß
gespült werden? (Die Kirche hat dann ein zusätzliches Problem, denn aufgrund
ihrer Lehre müssen Massen ungetaufter Embryos die Hölle oder Vorhölle
bevölkern.)
Wenn außerdem bei einer
Befruchtung in vitro zum Beispiel ein halbes Dutzend Eizellen von männlichem
Sperma befruchtet werden, sind Katholiken dann wirklich verpflichtet zu
glauben, daß in dieser Schale sechs Menschen sind, mit den gleichen Rechten wie
ein halbes Dutzend Babys in ihren Bettchen? Eine weitere Komplikation: Wenn die
Seele bei der Empfängnis eingegeben wird, wie kann sich eine Zelle dann in
einem späteren Stadium teilen, wie es bei Zwillingen geschieht? Ist die Seele —
eine nichtstoffliche Realität — geteilt worden?
Es gibt heute viele katholische
Philosophen, die nicht einsehen, warum eine befruchtete Eizelle ein beseeltes
Wesen genannt werden kann, da nach der thomistischen Tradition die Beseelung
erst stattfinden kann, wenn ein Körper da ist, der genug entwickelt ist, um von
der Seele Form anzunehmen. Zwar hat die befruchtete Eizelle ihren eigenen,
spezifisch menschlichen genetischen Code, doch das macht sie noch nicht zu
einem Menschen oder einer Person. Dazu muß sie Glieder und ein menschliches
Hirn entwickeln. In ihren Augen bleibt die große Tradition der Beseelung in
einer späteren Entwicklungsstufe intellektuell respektabler.
Auf einer niedrigeren Ebene hat
eine Eichel alles Informationsmaterial, das zur Entwicklung einer Eiche gehört.
Doch obwohl sich eine Eichel von jeder anderen Form des Lebens unterscheidet,
ist sie keine Eiche. Die Menschen zertreten Eicheln unbesorgt mit den Füßen
oder verfüttern sie an Schweine, während sie dazu neigen, Eichen, sogar
Eichensetzlinge, mit Achtung zu behandeln.
Einigen katholischen
Philosophen zufolge ist die Menschwerdung für das Individuum wie für die ganze
Menschheit ein gradueller Prozeß. Daraus folgt, daß die traditionellen
Argumente für eine begrenzte Zulassung der Abtreibung noch gelten. Die Mutter
ist Person im vollen Sinn des Wortes; der Embryo entwickelt sich erst zur
Person. Das bedeutet nicht, daß man den Embryo nicht achten sollte. Im
Gegenteil, die gesamte christliche Tradition ehrt den Embryo in jeder
Entwicklungsstufe als Geschenk Gottes. Die Grundeinstellung ist immer für den
Schutz des entstehenden Lebens. Die Extreme der Abtreibungslobby widersprechen
den grundsätzlichen Empfindungen der Christen, und Abtreibung als Mittel der
Familienplanung wie in Japan ist ihnen gänzlich zuwider. Unter normalen
Umständen muß der Embryo genährt, gehegt und ausgetragen werden. Doch nicht alle
Umstände sind normal. Manchmal muß die sehr traurige Entscheidung zur
Abtreibung getroffen werden. Es ist eine moralische Entscheidung. Es ist
unfair, so zu tun, als seien alle Befürworter der Abtreibung in bestimmten
Fällen Hedonisten, Wirrköpfe oder Bösewichte. Wie wir gesehen haben, lehnen die
Menschen den Standpunkt des Papstes zumeist aus moralischen Gründen ab. Es
kommt ihnen unethisch vor, ein Wesen im Werden gleich wie eine vollentwickelte
Person zu behandeln, die in einem Netz von Beziehungen und Verantwortungen
lebt. Zwar ist die Abtreibungspraxis zu weit gegangen und hat zu einer
Trivialisierung von Leben und Mutterschaft geführt, doch das Papsttum war mit
der Verkündung eines kaum weniger akzeptablen Extremismus nicht hilfreich.
Selbst wenn Johannes Paul recht
hat und der Embryo im ersten Augenblick der Befruchtung ein Mensch ist — folgt
daraus, daß er genau die gleichen Rechte hat wie die Mutter und schon geborene
Kinder?
Der Papst wendet immer wieder
ein: Das Recht auf Leben ist das grundlegendste Menschenrecht, und kein anderes
Recht kann Vorrang vor ihm haben — etwa das Recht der Mutter auf Gesundheit.
Doch es ist mehrdeutig zu sagen, Leben sei das grundlegendste Recht. Wenn es
bedeutet, es ist das erste Recht, ohne das eine Person keine anderen Rechte
haben kann, etwa das Recht auf Bildung oder Ehe, hat der Papst recht, aber er
hat nur gesagt, was ohnehin klar ist. Er scheint mehr zu meinen als dies. Er
glaubt, es sei das einzige Recht, das man überhaupt berücksichtigen sollte;
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