Gottes erste Diener
fast
Pawlowscher Zuverlässigkeit einer Attacke auf das eine die Attacke auf das
andere folgen läßt. Er ignoriert die Tatsache, daß, wie jüngste embryologische
Untersuchungen zeigen, bei der Empfängnis eine ungeheure genetische Veränderung
eintritt: Die befruchtete Eizelle ist ein eigenes Individuum mit eigenem
genetischen Code. Wie George Hunston Williams schreibt: »Diese genetische
Tatsache versetzt künstliche Empfängnisverhütung und absichtliche Abtreibung
auf völlig verschiedene moralische Ebenen.« Johannes Paul sieht dies entweder
nicht, oder er möchte es nicht sehen. Doch aus welchem Grund auch immer: Er
ermutigt die Abtreibungslobby. »Klar verdammt er Abtreibung«, sagen sie.
»Verdammt er Empfängnisverhütung nicht auch? Selbst seine eigene Herde folgt
ihm in der Empfängnisverhütung nicht; und wenn Umfragen irgendeine Aussagekraft
haben, sind sie über Abtreibung auch nicht seiner Meinung.«
Viele Katholiken argwöhnen
jetzt, daß Johannes Paul nicht nur zwei medizinisch und ethisch verschiedene
Dinge durcheinandergebracht hat; er kämpft weiterhin auf unkluge Weise an der
Abtreibungsfront. Seine Haltung ist zu extrem. Kann er erwarten, daß mehr als
eine Handvoll Katholiken ihm beistimmen, daß ein vergewaltigtes Mädchen
sündigt, wenn es abtreibt? Wer ist bereit, ihr zusätzlich zu der erlittenen
Schändung und körperlichen Mißhandlung noch dadurch Gewalt anzutun, daß er sie
zwingt, das Kind des Vergewaltigers auszutragen? Bischöfe antworten auf diese
Frage: »Sie muß sein Kind austragen; sie muß es nicht aufziehen.« Dies ist
selbst nach katholischen Prinzipien unannehmbar. Wenn eine Frau kein Kind
aufziehen kann, sollte sie keines bekommen. Mutterschaft ist nicht nur eine
biologische Tatsache, sondern eine moralisch-geistige Verpflichtung auf Dauer.
Die offizielle katholische
Position ist auch in bestimmten schweren medizinischen Fällen kaum zu
verteidigen. Sollte eine Frau ein Kind austragen müssen, das, wie die Ärzte ihr
versichern und mit Ultraschall sogar zeigen, hirngeschädigt ist oder kein
Zentralnervensystem hat? Der Papst sagt immer ja. Dies erscheint vielen als
einseitige Betonung des biologischen Aspekts, als sei der biologische identisch
mit dem moralischen. Es ist der gleiche Fehler, den Paul VI. in der
Empfängnisverhütung machte. Es bedeutet, ein Ideal der Mutterschaft zu einem
unerbittlichen Gesetz zu machen, selbst wenn man weiß, daß Mutterschaft im
eigentlichen Sinn unmöglich ist.
Der Papst wird schwerlich Frauen
zu seiner Sichtweise bekehren können. Er mag sagen, die Abtreibungsfrage sei
einfach; sie sagen, sie sei komplex und vielschichtig. Durch sein
Abtreibungsverbot will der Papst wichtige Entscheidungen selbst in die Hand
nehmen. Doch die Frauen sind entschlossen, diese Fragen selbständig für sich zu
entscheiden. Sie allein wollen sagen, ob sie sich imstande fühlen, die Mutter
dieses Kindes zu sein, das sie erwarten, denn sie wissen, daß Mutterschaft mehr
bedeutet als Gebären. Sie wissen auch, daß sie mehr als Gebärerinnen dieses
Kindes sind; sie sind auch Ehefrauen und Mütter bereits geborener Kinder. Ihre
Entscheidung wird nicht auf Biologie allein beruhen, sondern auf einer ganzen
Reihe moralischer Werte; einer davon, und in Normalfällen der entscheidende,
ist das Austragen eines Fötus. Die Katholiken wollen sich nicht der
Herausforderung des Evangeliums entziehen; sie wollen einfach ihre moralische
Verantwortlichkeit nicht abgeben, indem sie sich einem starren, lieblosen und
grundsätzlich biologischen Gesetz völlig unterwerfen.
Viele Katholiken halten die
Sicht des Papstes für extrem und beginnen, mit tiefer Achtung zu fragen: Wo hat
er sich geirrt? Welche seiner Annahmen sind richtig und welche fragwürdig?
Entgegen einer langen
katholischen Tradition geht der Papst davon aus, daß das Ungeborene vom
Augenblick der Befruchtung an ein vollständiger Mensch ist. Die moderne Genetik
legt in der Tat nahe, daß eine befruchtete Eizelle menschlich ist. Sie hat
einen individuellen genetischen Code. Folgt daraus, daß sie ein Mensch im
vollen Sinn ist, daß sie genau die gleichen Rechte hat wie die Mutter? Daß sie
mit genau der gleichen Achtung behandelt werden muß wie ein schon geborenes
Kind? Daß auch sie einen absoluten Wert hat, der alle anderen Werte aufwiegt? Wenn
diese Fragen mit ja beantwortet werden können, hat der Papst recht, und
Abtreibung ist immer Sünde.
Allerdings macht die
medizinische Wissenschaft selbst es
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