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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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retten, selbst nachdem der
Fötus menschlich geworden war, d.h., nachdem die Seele ihm eingegeben war. Mit
welcher Begründung? Weil das Leben des Fötus keinen absoluten Wert hatte; sein
Wer t mußte gegen andere aufgewogen werden. Was war dann in dem klassischen
Fall, wenn es zu einer klaren Entscheidung zwischen dem Leben der Mutter und
dem des Kindes kam? War das Leben der Mutter nicht wertvoller als das des
Kindes? Viele zögerten. Sie sagten, es sei immer böse, einen beseelten Fötus
direkt zu töten. Sie begnügten sich mit der Aussage, es sei zulässig, ihn
indirekt zu töten, d. h., wenn medizinische Behandlung zur Rettung der Mutter
zufällig und unbeabsichtigt auch den Fötus tötete oder abtrieb. Das Ziel war
nur die Rettung der Mutter; der Tod des Fötus war ein trauriger Nebeneffekt
einer tugendhaften Handlung.
    Die Geschichte zeigt, daß die
Päpste durchaus nicht imstande waren, diese schwierigen moralischen Zwangslagen
ein für allemal zu lösen, sondern vielmehr so ratlos waren wie alle anderen
auch. Sie hatten keinen Zugang zu privilegierter Information. Sie mußten
Argumente vortragen, die man widerlegen konnte. So sagte zum Beispiel Gregor
XIII. (1572-85), es sei kein Mord, einen Embryo von weniger als vierzig Tagen
zu töten, denn er sei nicht menschlich. Selbst nach vierzig Tagen war es zwar
Mord, aber nicht so schlimm wie der Mord an einem schon Geborenen, denn es wurde
nicht aus Haß oder Rache getan. Sein Nachfolger, der ungestüme Sixtus V., der
die Bibel umschrieb, war ganz anderer Meinung. In seiner Bulle Effrenatum von 1588 sagte er, jede Abtreibung aus jedem Grund sei Mord und werde mit
Exkommunikation bestraft, die dem Heiligen Stuhl vorbehalten sei. Unmittelbar
nach dem Tod Sixtus’ V. sah Gregor XIV. ein, daß Sixtus’ Auffassung im
gegenwärtigen Stand der theologischen Lehrmeinung zu streng war. In einer fast
einzigartigen Entscheidung sagte er, Sixtus’ Verurteilungen seien zu behandeln,
als hätte er sie nie ausgesprochen. Päpste können voreilig sein. Sie hatten nie
Antworten zu aktuellen moralischen Problemen in petto. Moralische Urteile
hingen von Tatsachen und Umständen ab, die alle berücksichtigt werden mußten.
Das Papsttum des neunzehnten Jahrhunderts vergaß dies Grundprinzip in allen
Fragen, die mit Freiheit zu tun hatten. Die Päpste des zwanzigsten Jahrhunderts
haben es in allen Fragen vergessen, die mit Sexualität zu tun haben. Paul VI.
war nicht allein mit dem Ausgraben veralteter Lehren ohne Rücksicht auf völlig
veränderte Umstände und die Entdeckungen der Wissenschaft. Besonders die Moral
der Abtreibung hängt von biologischen Tatsachen ab.
     
    1621 schrieb der römische Arzt
Paolo Zacchia, es gebe keine biologische Grundlage für die aristotelische
Auffassung, die Beseelung finde erst einige Zeit nach der Empfängnis statt.
Zacchia war der angesehenste Arzt am päpstlichen Hof, doch seine Meinung hatte
keine Wirkung auf päpstliche oder theologische Lehre. Der Vatikan
veröffentlichte eine Pastoraldirektive, die die Taufe von Föten unter vierzig
Tagen erlaubte, aber nicht vorschrieb. Noch im achtzehnten Jahrhundert
verneinte der größte Moraltheologe der Kirche, der hl. Alfons Liguori, daß die
Seele bei der Empfängnis eingegeben werde. Wie Thomas von Aquin vor ihm sagte
er nicht, direkte Abtreibung sei richtig, doch seine Ansicht ermöglichte eine
Flexibilität im Umgang mit der Abtreibung, besonders wenn das Leben der Mutter
in Gefahr war. Nach 1750 verschwand diese Flexibilität. Zum erstenmal in
Jahrhunderten begann die Kirche, zu der unbeugsamen Haltung der Kirchenväter
zurückzukehren.
     
     
    Roms zunehmende
Unnachgiebigkeit
     
    Pius XI. wiederholte durchaus
nicht die Tradition, sondern stellte sich gegen
etliche Jahrhunderte beständiger Lehre, als er 1869 sagte, jede Zerstörung
jedes Embryos sei eine Abtreibung, die Exkommunikation verdiente. Mit anderen
Worten, er übernahm die Sichtweise Sixtus’ V., die von Gregor XIV. sofort
widerrufen worden war. Die Begründung für Pius’ Lehre war zweifach. Erstens:
Die Beseelung findet bei der Empfängnis statt. Zweitens: Der Embryo und die
Mutter sind immer gleichwertig. Keine dieser Aussagen konnte auch nur im
entferntesten als traditionell bezeichnet werden. Tatsächlich waren die meisten
zeitgenössischen Theologen in Punkt eins anderer Meinung, und das führte zu
einer ebenfalls anderen Meinung in Punkt zwei. Denn wenn die Seele nicht sofort
eingegeben wird, ist es außerordentlich

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