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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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korsischen Vorgänger, Papst Formosus (891-96)
wieder aus, als dieser seit über neun Monaten tot war. Bei der später so
benannten Kadaversynode kleidete er die stinkende Leiche in volles päpstliches
Ornat, setzte sie auf den Thron im Lateran und schritt dann persönlich zum
Verhör. Formosus wurde beschuldigt, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen
Papst geworden zu sein; er war Bischof eines anderen Ortes und daher für Rom
nicht wählbar. Laut Stephan waren deshalb all seine Beschlüsse ungültig,
besonders seine Ordinationen. Ein schnatternder Diakon im Teenageralter
antwortete für Formosus. Für schuldig befunden, wurde die Leiche als Gegenpapst
verdammt, aller Kleider beraubt bis auf ein härenes Hemd, das an dem verwesten
Fleisch klebte, und — minus der beiden Finger, mit denen sie ihren falschen
apostolischen Segen erteilt hatte — in den Tiber geworfen. Die Leiche wurde von
dem härenen Hemd wie konserviertes Fleisch zusammengehalten, von einigen
Bewunderern des Formosus aufgefischt und still begraben. Später wurde sie in
ihr Grab in St. Peter zurückgebracht. Stephan selbst wurde bald erdrosselt.
    Päpste verstümmelten und wurden
verstümmelt, töteten und wurden getötet. Ihr Leben hatte keine Ähnlichkeit mit
den Evangelien. Sie hatten mehr gemein mit modernen Kindern reicher Leute, die
zu Randalierern und Süchtigen geworden sind und Strandcafes und Nachtclubs
heimsuchen, als mit römischen Päpsten, wie die Welt sie heute sieht. Einige
verdankten ihren Aufstieg ehrgeizigen Eltern, einige dem Schwert, einige dem
Einfluß schöner, wohlgeborener Maitressen in der sogenannten »Regierung der
Huren«.
    Herausragend unter diesen
Kurtisanen war Marozia von der Familie der Theophylakten. Ihrem Zeitgenossen
Bischof Liutprand von Cremona zufolge war sie bestens vorbereitet durch ihre
Mutter Theodora, die eine zweite Tochter, ebenfalls Theodora genannt, von Papst
Johannes X. (914—29) hatte. Wer sagt, Frauen hätten nie einen Einfluß auf die
Leitung der Kirche gehabt, ist diesen beiden unglaublich zielstrebigen Damen
nie begegnet. In weniger als einem Jahrzehnt »machten« sie nicht weniger als
acht Päpste — und wenn es ihnen paßte, beseitigten sie sie. In seinem Buch Decline
and Fall legt Gibbon nahe, diese »Päpstinnen« seien der Inbegriff jener Sexpolitik
gewesen, die zu der Legende oder Satire von der Päpstin Johanna führte. An
diese Oberhirtin glaubte man mehrere Jahrhunderte lang, bis zur Reformation. Es
ist den Engländern ein Trost zu wissen, daß die einzige Päpstin ein schönes
angelsächsisches Mädchen war. In vollem päpstlichem Ornat, so geht die
Geschichte, brachte sie einen Sohn zur Welt, während sie in der Sänfte vom
Kolosseum zur Kirche San Clemente getragen wurde, und starb leider auf der
Stelle.
    Diese Legende brachte wieder
andere Legenden hervor. In der Laterankirche gab es einen blutroten Marmorstuhl
mit einem Loch im Sitz. Auf diesen Stuhl setzte sich jeder neugewählte Papst,
um das Treuegelöbnis seines Klerus entgegenzunehmen. Doch das Gerücht ging um,
daß nach Päpstin Johanna jeder Papst sich auf diesen Stuhl setzen und eine Art
gynäkologischer Untersuchung über sich ergehen lassen mußte, um zu verhindern,
daß eine zweite Frau auf den Papstthron gelangte. Die Untersuchung — von
weiblichen Kardinälen durchgeführt? — wurde von lateinischen Gebeten begleitet.
Tatsächlich wurde ein ganzes Ritual geschrieben, und es wurde allen Ernstes in
vielen mittelalterlichen Manuskripten abgeschrieben. Eine andere, prosaischere
Deutung dieses Stuhls besagte, er sei eigentlich ein Nachtstuhl, sichtbares Symbol
der Tatsache, daß der Papst durch Gott wie ein Bettler vom Misthaufen erhoben
und unter die Fürsten gesetzt worden sei.
    Es gibt offenbar keinen
theologischen Grund dafür, daß eine Frau nicht Papst werden kann, selbst wenn
es Frauen, wie Johannes Paul sagt, durch göttliches Recht verboten ist,
Priester zu werden. Viele Erzbischöfe und Päpste waren nicht ordiniert. Hadrian
V. erscheint auf der Liste der Päpste, obwohl er nur sechs Wochen regierte, vom
11. Juli bis zum 18. August 1276. Er war kein Bischof, nicht einmal ein
Priester, doch er war rechtmäßig Papst.
     
     
    Die schöne Hure
     
    Marozia, die Hauptquelle der
Päpstin-Johanna-Legende, wurde zuerst intim mit dem
Papst in der Person von Sergius III. (904-11). Seinen Weg zum Thron hatte Leo V.
verstellt, der einen Monat lang regierte, bevor er von einem Usurpator,
Kardinal Christoph,

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