Gottes erste Diener
Papsttums
schrieb im selben Buch: »Wenn der Papst im Irrtum wäre, Sünden befähle und
Tilgenden verböte, müßte die Kirche trotzdem Sünden als gut und Tugenden als
Laster ansehen, sonst würde sie gegen das Gewissen sündigen.« Kein Wunder, daß
die Teenagerpäpste sich so viel herausnehmen konnten. Doch selbst Bellarmin,
der seine Borgias kannte, mußte einräumen, daß Johannes XII. »Abschaum war«. Fuerit
fieri omnium deterrimus.
Als ein Ungeheuer aus dem Weg
war, wählten die Römer Benedikt V. als Ersatz. Otto war überlistet und wütend.
»Niemand kann ohne Zustimmung des Kaisers Papst sein«, erklärte er. »So ist es
immer gewesen.« Seine Wahl war Leo VIII.
Im sechzehnten Jahrhundert
behauptete Kardinal Baronius in seinen Kirchlichen Annalen, die Acton
als »größte je geschriebene Kirchengeschichte« bezeichnet hat, Benedikt sei der
wahre Papst gewesen und Leo der Gegenpapst. Dies ist schwer zu widerlegen. Doch
Benedikt fiel reuig zu Ottos Füßen und erklärte sich selbst zum Schwindler. Um
dies zu beweisen, legte er seine Regalien ab und bekannte auf Knien vor Leo, er
sei der rechtmäßige Nachfolger Petri.
Es ist nicht klar, ob die
Behauptung eines echten Papstes, er sei nicht echt, eine Übung in Unfehlbarkeit
ist — doch es muß eine Botschaft an die ganze Kirche über Glauben und Moral
darin liegen.
Als sowohl Leo als auch
Benedikt starben, setzte Otto Johannes XIII. auf den Thron. Es war keine kluge
Wahl. Die Römer schickten ihn prompt heim. Otto brachte ihn zurück, nur um
einzusehen, daß der Instinkt der Römer recht hatte. Der neue Papst beging Taten
von unglaublicher Grausamkeit. Wie Luitprand in seiner Chronik berichtet, riß
er die Augen seiner Feinde aus und ließ die halbe Bevölkerung über die Klinge
springen. Kurz nach Johannes XIII. kam Benedikt, der ebenfalls mitten im
Ehebruch von einem erzürnten Ehemann getötet wurde.
Kardinal Baronius waren
verständlicherweise diese Ereignisse peinlich, die er mit bemerkenswerter
Ehrlichkeit berichtet. Die Päpste dieser Zeit nennt er »Eindringlinge auf dem
Heiligen Stuhl, nicht Apostel, sondern Apostaten« (non apostolicos sed
apostaticos). Es schüttelt ihn, gibt er zu, daß er über sie schreiben muß.
Auf dem Stuhl Petri saßen nicht Menschen, sondern Ungeheuer in Menschengestalt.
»Ruhmsüchtige Messalinas, voller fleischlicher Begierden und geschickt in allen
Formen der Schlechtigkeit, regierten Rom und prostituierten den Stuhl Petri für
ihre Favoriten und Liebhaber.«
Angesichts der Beschlüsse des
Ersten Vatikanischen Konzils von 1870 ist seine Folgerung verblüffend:
Die
wichtigste Lehre dieser Zeiten ist, daß die Kirche sehr gut ohne Päpste
auskommen kann. Was für das Überleben der Kirche wichtig ist, ist nicht der
Papst, sondern Jesus Christus. Er ist das Haupt der Kirche, nicht der Papst.
Wenige Jahrhunderte später wäre
Baronius als Häretiker gebrandmarkt worden. Der katholische Glaube ist heute:
Der Papst ist das Haupt der Kirche auf Erden, Stellvertreter Christi, der Fels,
auf dem die Kirche erbaut ist, Band der Einheit, Bewahrer von Glauben und
Moral. Aber die lange Zeit, die wir betrachtet haben, zeigt ein ganz anderes
Bild. Nicht nur Baronius, sondern auch das Volk von Rom hätte über solchen
theologischen Unsinn gelacht. Für sie hatten die Pforten der Hölle sichtbar
standgehalten. Wenn nicht dies der Sieg des Fürsten der Finsternis war, was war
es dann? Die einzige Frage, die sie beschäftigte, war nicht »Wie kann der Papst
die Kirche retten«, sondern »Wie kann der Papst seine eigene Seele retten«.
Während all dieser stürmischen
Ereignisse und anderer, die folgten, blieb Marozia in ihrer Gefängniszelle.
Sie, einst das berückendste Geschöpf ihrer Zeit, war nun ein verwelkter,
sehniger Knochenhaufen geworden, eingewickelt in Lumpen. Inzwischen war sie
Mitte Neunzig — die Erinnerung daran, mit dem einen Papst geschlafen und ihm
einen Sohn geschenkt zu haben, den sie wiederum zum Papst gemacht hatte, muß
sie inspiriert haben zu überleben. Sie wurde zwar vernachlässigt, aber an
höchster Stelle nie ganz vergessen.
Im Frühling 996 beschlossen der
dreiundzwanzigjährige Papst Gregor V. und sein Vetter, der fünfzehnjährige
Kaiser Otto III., die arme alte Frau habe lange genug im Kerker geschmachtet.
Der Papst schickte einen zahmen Bischof, um die Dämonen aus ihr zu exorzieren
und ihre Strafe der Exkommunikation aufzuheben. Sie wurde von ihren Sünden
losgesprochen. Dann
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