Gottes erste Diener
gefangennehmen.
Marozia war nicht mehr jung,
aber noch immer eine stattliche Frau, als sie zum erstenmal Hadrians Mausoleum
betrat, bekannt als die Engelsburg. Sie sollte über fünfzig Jahre an jenem
schrecklichen Ort am Tiber bleiben, ohne einen Tag der Freiheit.
Sie war sechzig geworden, als
die Nachricht sie in ihrem Kerker erreichte, daß Alberich mit vierzig gestorben
war und daß sein Sohn, ihr Enkel Oktavian, sich zum Papst aufgeschwungen hatte.
Er war der erste Papst, der seinen Namen änderte: Er nannte sich Johannes XII.
Dies war im Winter 955. Sie drehte ihr graues, altes Gesicht zur Wand und sank
zurück in ihre Träumereien von vergangener Herrlichkeit mit ihrem Liebhaber
Sergius. Die Jugend des neuen Papstes mag zum Teil sein unfrommes Verhalten
erklären, denn er war erst sechzehn, als er die Bürde des Amtes übernahm. Ganze
Klöster beteten Tag und Nacht um sein Ableben.
Selbst für einen Papst jener
Epoche war er so schlimm, daß die Bürger ihm nach dem Leben trachteten. Er
hatte Sünden erfunden, sagten sie, die seit Anbeginn der Welt unbekannt waren,
einschließlich mit der eigenen Mutter zu schlafen. Er unterhielt einen Harem im
Lateranpalast. Er trieb mit den Opfergaben der Pilger Glücksspiel. Er hielt
zweitausend Pferde und fütterte sie mit in Wein getränkten Mandeln und Feigen.
Er belohnte die Gefährtinnen seiner Liebesnächte mit goldenen Kelchen von St.
Peter. Er tat nichts für den einträglichsten Tourismuszweig der Zeit, die
Pilgerreisen. Besonders Frauen wurden gewarnt, San Giovanni in Laterano nicht
zu betreten, wenn ihre Ehre ihnen lieb war: Der Papst war immer auf Jagd. Vor
dem Hochaltar der Mutterkirche der Christenheit trank er sogar auf den Teufel.
Papst Johannes erregte solchen
Zorn, daß er um sein Leben fürchtete, St. Peter plünderte und nach Tivoli floh.
Als der fünfzigjährige Otto von
Sachsen — der 962 in der Peterskirche zum Kaiser gekrönt wurde — hiervon Wind
bekam, befahl er dem jungen Mann, sofort heimzugehen. Es paßte ihm nicht in den
Kram, einen flüchtigen Papst zu haben; es war schlecht für das kaiserliche
Geschäft.
Eine Synode wurde einberufen,
um die Dinge zu ordnen. Anwesend waren sechzehn Kardinäle, all die vielen
italienischen Bischöfe und viele andere, die aus Deutschland nach Rom beordert
wurden. Der Bischof von Cremona hat einen genauen Bericht über die Anklagen
gegen den Papst hinterlassen. Er hatte die Messe gelesen, ohne zu
kommunizieren. Er hatte einen Diakon in einem Stall ordiniert. Er hatte für
Ordinationen Honorar verlangt. Er hatte mit einer langen Liste von Damen
kopuliert, einschließlich der alten Flamme seines Vaters und seiner eigenen
Nichte. Er hatte seinen geistlichen Führer geblendet. Er hatte einen Kardinal
kastriert und seinen Tod verursacht. All diese Beschuldigungen wurden unter Eid
bekräftigt.
Da schrieb Otto Johannes einen
Brief, den man zu den größten Kuriositäten rechnen muß.
Alle,
Klerus wie Laien, bezichtigen Dich, Heiligkeit, des Mordes, Meineids,
Sakrilegs, Inzests mit deinen Verwandten, und daß Du wie ein Heide Jupiter,
Venus und andere Dämonen angerufen habest.
Johannes reagierte, indem er
einen Brief ohne jede Grammatik an die Bischöfe diktierte. Er warnte sie, wenn
sie ihn absetzten, würde er sie alle exkommunizieren, so daß sie weder
ordinieren noch Messe lesen könnten. Dann sprang er auf ein Pferd und ging
jagen.
Als Otto das Warten schließlich
leid war und nach Sachsen zurückkehrte, hob Johannes’ Familie eine Armee aus,
um ihm sicheres Geleit nach Hause zu geben. In Rom übernahm er wieder das Amt
Petri. Mit einer so milden Strafe wie der Exkommunikation nicht zufrieden,
verstümmelte oder exekutierte er alle, die zu seiner Verbannung beigetragen
hatten.
Kein Papst ging je in einer
peinlicheren Stellung zu Gott zurück. Eines Nachts ertappte ein eifersüchtiger
Ehemann, einer von vielen, seine Heiligkeit in flagranti delicto mit
seiner Frau und gab ihm die Letzte Ölung mit einem Hammerschlag auf den
Hinterkopf. Er war vierundzwanzig. Die Römer mit ihrem bekannten makabren Humor
sagten, es sei der Höhepunkt seiner Karriere gewesen. Immerhin hatte er das
Glück, im Bett zu sterben, selbst wenn es ein fremdes war.
Im siebzehnten Jahrhundert
schrieb dann Kardinal Bellarmin in seinem Buch über das Papsttum De Romano
Pontifice: »Der Papst ist der oberste Richter in der Entscheidung
strittiger Glaubens- und Moralfragen.« Dieser große Verteidiger des
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