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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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lag das wahrscheinlich daran, daß er eine Münze
geworfen hatte.
     
     
    Innozenz III., Beherrscher der
Welt
     
    Es war die außergewöhnlichste Begegnung zweier Männer, seit Jesus im Praetorium
vor Pilatus gestanden hatte. Der eine in königlichen Gewändern auf dem
Purpurthron war der mächtigste Mann der Welt; der Siebenundzwanzigjährige, der
in den geflickten Lumpen eines Bettlers vor ihm kniete, hatte seinen Ehrgeiz
darein gesetzt, der ärmste zu sein.
    Es war der Sommer 1209. Papst
Innozenz III. hatte sich endlich bereitgefunden, diesen winzigen, ungekämmten
Burschen zu sehen, der im Ruf der Heiligkeit stand. Der magere Bittsteller
hatte dunkles Haar und gerade Augenbrauen, weiße Zähne und kleine, aber
abstehende Ohren. Sein Bart war dünn und zottelig. Seine schwarzen, blinzelnden
Augen funkelten, seine Stimme war kräftig und melodisch, und er strahlte eine
sonderbare Freude aus. Er war ein Poet, sagten die Leute. Er sprach von
Schwester Sonne und Bruder Wind; Mond, Wasser, Erde, selbst der Tod waren seine
Geschwister. Er predigte angeblich zu Vögeln und wilden Tieren, und sie hörten
ihm zu. Seine große Liebe war die Armut, die er die reichste und gütigste
Herrin der Welt nannte.
    Innozenz erinnerte sich wohl
kaum daran, doch er hatte diesen merkwürdigen kleinen Mann schon einmal
gesehen. Franz von Assisi hatte einen Weg in den Lateranpalast gefunden. Er
wollte direkt an die Spitze gehen, um die Billigung für die religiöse Bruderschaft
einzuholen, die er gründen wollte. Durch Zufall stieß er in einem Korridor mit
Innozenz zusammen. Franziskus war von St. Peter gekommen, wo er mit einem
Bettler, dessen Lumpen zerfetzter und übelriechender waren als seine eigenen,
die Kleider getauscht hatte. Der Oberhirte schnupperte und wies ihn hinaus.
    Erst Hugolino, der Kardinal von
Ostia, erreichte, daß er Franziskus eine Audienz gab. Hugolino, der künftige
Gregor IX., verstand Franziskus auch nicht, doch er meinte, er habe der Kirche
etwas zu geben. Er verstand ihn auch später nie, nicht einmal, als er ihn — mit
Bedenken —1228 kanonisierte.
    Die Unterredung mit Innozenz
III. war kurz. Der Papst äußerte weder Billigung noch Mißbilligung für Franz
und seine Liebe zur Armut. Er hatte Wichtigeres im Kopf. Die Welt zu
beherrschen, zum Beispiel.
     
    Kardinal Lothar war am 8.
Januar 1198 einstimmig gewählt worden. Wie der Kindpapst Benedikt IX. stammte
Innozenz von den Alberichs von Tusculum ab, einer Familie, die sich schließlich
rühmen konnte, dreizehn Päpste, drei Gegenpäpste und vierzig Kardinäle
hervorgebracht zu haben. Mit achtunddreißig war Innozenz das jüngste Mitglied
des Heiligen Kollegiums. Er war klein, stämmig, gutaussehend und beredt, mit
stahlgrauen Augen und festem Kinn. Er hatte an den besten Universitäten, Paris
und Bologna, studiert. Mit seinem feurigen Temperament und seinem
unübersehbaren Format war er ein geborener Herrscher um jeden Preis. Nach
seiner Weihe in der Peterskirche wurde Innozenz auf einer Plattform in Freien
gekrönt. Der Kardinal-Erzdiakon nahm seine Mitra ab und setzte das fürstliche Regnum an ihre Stelle. Ursprünglich hatte es aus weißen Pfauenfedern bestanden, doch
nun war es ein juwelenbesetztes Diadem mit einem Karfunkel an der Spitze.
    »Nimm diese Tiara«, intonierte
der Erzdiakon in einem Ritual, das Petrus erstaunt hätte, »und wisse, daß du
Vater der Fürsten und Könige bist, Beherrscher der Welt, der irdische
Stellvertreter unseres Erlösers Jesus Christus, dessen Ehre und Ruhm ewig
währen wird.«
    Als Jünger Gregors VII. zweifelte
Innozenz niemals daran, daß diese Gotteslästerung ihm zustand.
    Er war die Reinkarnation
Konstantins. Thomas Hobbes’ berühmter Seitenhieb im Leviathan scheint
berechtigt: »Das Papsttum ist nichts anderes als der Geist des toten Römischen
Reiches, auf dessen Grab es gekrönt sitzt.« Mit vor Gold und Edelsteinen
leuchtenden Gewändern bestieg Innozenz ein weißes, mit Scharlach bedecktes
Pferd und nahm an der Reiterparade durch die girlandengeschmückte Stadt auf der
Via Papae teil. Sie ging unter den alten Bögen der Kaiser hindurch.
    Am Stephansturm trat Petri, ein
alter Rabbi, mit der Schriftrolle des Pentateuch um die Schultern vor, um seine
Ehrerbietung zu bezeugen. »Wir anerkennen das Gesetz«, erklärte Innozenz
förmlich, »doch wir verurteilen die Prinzipien des Judentums; denn das Gesetz
ist schon erfüllt durch Christus, den das blinde Volk Juda noch als seinen
Messias erwartet.« Der

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