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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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einräumen, daß vor ihm Thron und Altar Verbündete waren.
Päpste und Fürsten gaben nie ihre gegenseitige Wachsamkeit auf, und zuzeiten
kämpften sie wie Tiger. Erst drang der eine in das Revier des anderen ein, dann
wurden die Rollen getauscht. Doch als Gottes gesalbte Vertreter zweifelten sie
nie daran, daß sie auf eine tiefe und heilige Weise aneinander gebunden waren.
    Gregor unternahm es, diese
zerbrechliche Harmonie zu zerschmettern. Er hatte gesehen, wie ein Kaiser einen
Papst absetzte; er würde einen Kaiser absetzen, egal wie.
    Hätte er nur einen Kaiser
gedemütigt, so hätte ihm niemand etwas vorwerfen können. Doch er führte eine
hinterhältige und häretische Lehre ein und setzte sich durch sie an die Stelle
des Kaisers. Im Namen des Armen von Nazareth, der auf alles Königtum
verzichtete, beanspruchte er, nicht nur Bischof zu sein, sondern König der
Könige. In einer Parodie der Evangelien nahm ihn der Teufel mit auf einen sehr
hohen Berg und zeigte ihm alle Königreiche der Welt, und Gregor VII. rief aus:
Sie sind alle mein.
    Wie jener objektivste aller
Historiker, Henry Charles Lea, in The Inquisition in the Middle Ages schrieb: »Der Realisierung dieses Ideals (päpstlicher Suprematie) weihte er
sein Leben mit einem Feuereifer und einer Unbeirrtheit, die vor keinem
Hindernis zurückschreckten, und er war bereit, ihm nicht nur die Menschen zu
opfern, die ihm im Wege standen, sondern auch die unwandelbaren Prinzipien der
Wahrheit und Gerechtigkeit.« Auf diese Weise säte Gregor bedenkenlos Samen,
die, als sie aufgingen, nicht nur das Ende des Christentums hervorbrachten,
sondern zusätzlich die Reformation. Der Bischof von Trier sah die Gefahr. Er
beschuldigte Gregor, die Einheit der Kirche zu zerstören. Der Bischof von
Verdun sagte, der Papst irre in seiner unerhörten Anmaßung. Der Glaube ist
Sache der Kirche — das Herz gehört dem Land des Einzelnen. Der Papst, sagte er,
dürfe das Bündnis des Herzens nicht für sich beanspruchen. Doch genau das tat
Gregor. Er wollte alles; den Kaisern und Fürsten ließ er nichts. Das Papsttum,
wie er es formte, untergrub den Patriotismus und dadurch die Autorität
weltlicher Herrscher; diese fühlten sich durch den Altar bedroht. Bei der
Reformation empfanden Herrscher in England und anderswo es als notwendig, den
Katholizismus aus ihrem Land zu verbannen, um sich sicher zu fühlen.
    Ein weiteres Vermächtnis
Gregors VII. besteht in der Zwangs-Romanisierung der Kirche. Nach ihm war
echter Katholizismus, ein Katholizismus, der an jedem Ort und in jeder Kultur
wurzelt und bereichert wird, unmöglich. Jede Kirche mußte mit dem römischen
Muster konform gehen, wie fremd dies Muster ihren Ursprüngen und ihren
Erfahrungen auch sein mochte. Latein, Zölibat, scholastische Theologie — all
das wurde soweit durchgesetzt, daß Einmütigkeit durch Einheitlichkeit,
gegründet auf Rom, ersetzt wurde.
    Die Veränderungen, die Gregor
bewirkte, spiegelten sich in der Sprache wieder. Vor ihm war der traditionelle
Titel des Papstes Stellvertreter Petri. Nach ihm war es Stellvertreter Christi.
Nur das »Stellvertreter Christi« konnte seine absolutistischen Ansprüche
rechtfertigen, und seine Nachfolger erbten diese in Wirklichkeit nicht von
Petrus oder Jesus, sondern von ihm.
    Er machte Schule. In den
hundert Jahren nach ihm exkommunizierten Päpste nicht weniger als acht Kaiser,
setzten etliche dabei ab und brachten der Christenheit jedesmal Unfrieden.
Historiker haben fünfundsiebzig blutige Schlachten direkt auf Gregors Fehde mit
dem Kaiser zurückgeführt.
    Ein letztes paradoxes Ergebnis
der Reformen des asketischen Gregor: Seine absolutistischen Ansprüche
bereiteten den Weg für so sinnliche Päpste wie Alexander Borgia. Selbst wenn
ein Satan auf dem Papstthron war — wer wagte es, den Stellvertreter Christi in
Frage zu stellen?
     
    Gregor VII. mußte fünf
Jahrhunderte warten, ehe er offiziell von einem anderen Papst als sich selbst
kanonisiert wurde. Dieser Papst, Pius V., hatte ebenfalls eine Neigung zur
Absetzung von Monarchen, mit gleich katastrophalen Folgen.
    Doch von allen postumen
Ehrungen, die ihm zuteil wurden, hätte Gregor sich wohl am meisten über die
gefreut, die ihm nicht ein Amtsbruder, sondern der größte Feind der Kirche im
neunzehnten Jahrhundert angedeihen ließ. »Wäre ich nicht ich selbst, so wäre
ich gern Gregor VII.« Der Sprecher war Napoleon nach der Schlacht von
Austerlitz.
    Wenn Napoleon Gregor wählte
statt Innozenz III., so

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