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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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eigenen
härenen Hemd an seinem wohlgegeißelten Rücken, verdeckt durch seine Gewänder,
machte eine Geste — er ließ sich nicht herab, mit einem zu sprechen, der
außerhalb der Gemeinschaft mit Gott und der Kirche stand.
    Heinrich gehorchte,
blaugefroren und mit klappernden Zähnen. Mit bloßem Kopf und bloßen Füßen stand
er bis zu den Knöcheln im Schnee, gekleidet in das härene Hemd des Bettlers und
Büßers. Er hielt einen Reisigbesen in der einen Hand und eine Schere in der
anderen, als Zeichen für seine Bereitschaft, sich geißeln und scheren zu
lassen.
    Der Kaiser des Heiligen
Römischen Reiches, Erbe Karls des Großen, stand dort drei Tage und Nächte,
fastend von Tagesanbruch bis lange nachdem die glitzernden Sterne herauskamen —
ein so elender Anblick, daß seine Verwandten auf den Zinnen lauthals weinten,
weil sie es nicht mehr mit ansehen konnten. Stunde um Stunde betete Heinrich
mit vor Frost starren Haaren und Augenbrauen in tiefen, schaudernden Seufzern
zu Gott und dem Papst um Gnade.
    Später im gleichen Jahr
berichtete Gregor in einem Brief an die deutschen Fürsten, was er selbst getan
hatte:
     
    Die
Fürsprecher Heinrichs murrten über die große Herzlosigkeit des Papstes. Einige
wagten sogar zu sagen, ein solches Verhalten sei eher wie die barbarische
Grausamkeit eines Tyrannen als wie die gerechte Strenge eines kirchlichen
Richters.
     
    Was Gregor so hart machte, war
die ferne Erinnerung an das, was Heinrichs Vater seinem Vorgänger angetan
hatte. Wie die Italiener sagen — kalt schmeckt Rache besser.
    Erst als seine Gastgeberin
Matilda am vierten Tag plädierte, ihr Vetter würde sterben, wenn er noch länger
im Schnee bliebe, ließ der Papst sich erweichen.
    Heinrich wurde
hineingeschleppt, ein Klumpen gefrorenes Fleisch, um in Fetzen vor dem
tiaragekrönten Oberhirten zu stehen. Groß und gutaussehend, wie er war,
überragte er diesen häßlichen, dunkelhäutigen toskanischen Zwerg mit seiner
großen Nase und den kalten, starren Augen. Heinrich mußte schwören, sich dem
päpstlichen Urteil an dem Ort und zu der Zeit zu unterziehen, die noch
bekanntgegeben würden. Inzwischen durfte er seine Souveränität nicht ausüben,
bis der Papst gesprochen hatte. Wie Machiavelii in seiner Florentinischen
Geschichte bemerkt: »Heinrich hatte als erster Fürst die Ehre, die Schärfe
geistlicher Waffen zu spüren.«
    Doch auch Heinrich hatte seinen
Stolz. Er wollte nichts vom Papst, außer der Aufhebung seines Bannfluchs.
    Wieder daheim, zog er gegen
Rudolf ins Feld und veranlaßte Gregor, den Bann von neuem zu verhängen. In
einer Art Fernkrieg berief Heinrich ein Konzil ein, um den Papst abzusetzen.
Bischof Berno von Osnabrück versteckte sich unter dem Altartuch der Brixener
Kathedrale, bis die Verhandlungen gegen Gregor vorüber waren, und erschien dann
wieder wie durch Zauberkraft. Heinrich wählte Guibert von Ravenna als Papst
Clemens III. Hierfür prophezeite Gregor Heinrich den Tod innerhalb eines
Jahres. Statt dessen marschierte Heinrich nach einer Reihe glanzvoller Siege
nach Rom und setzte Clemens auf den Thron.
    Gregor floh nach Salerno im
Königreich Neapel, alt, müde und von seinen Kardinalen im Stich gelassen. Er
war zwölf Jahre Papst gewesen. Es war ein typischer neapolitanischer Sommer,
aber Gregor hatte nicht so gefroren, seit er auf den Zinnen von Canossa stand.
Herrisch bis zum Ende, gab er der ganzen Menschheit die Absolution, »außer dem
sogenannten König Heinrich«, den er zur Sicherheit zum viertenmal
exkommunizierte. Selbst ein Papst mit göttlicher Macht konnte ihn nicht
retten.
    Im Widerspruch zu den bekannten
Tatsachen murmelte er: »Ich habe die Gerechtigkeit geliebt und das Unrecht
gehaßt, deshalb sterbe ich im Exil.« Der Mangel an Logik fiel einem
bischöflichen Berater auf. »Wie im Exil, Heiligkeit, wenn die ganze Welt dein
ist?«
    Gregor starb am 25. Mai 1085.
     
    Bei den Katholiken steht er in
hohem Ansehen. Sein Prestige beruht auf seiner Askese, seinem fulminanten
Vorgehen gegen Simonie und priesterliche Unzucht, seinem Versuch, den
jahrhundertealten Trend päpstlicher Unmoral umzukehren, seiner Fähigkeit, kraft
einer einzigen Idee Monarchen zu entthronen. Er ist auch der klassische
Exponent des römischen Katholizismus, den er praktisch erfand. Er hatte nie
einen Zweifel über eine Meinung; er war immer ganz sicher in allem.
    Doch abgesehen von den
Fälschungen, die seine fragwürdigen Ansprüche untermauerten, müssen selbst
seine Bewunderer

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