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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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aber
subtile Musik vom Glockenturm, in der die Schreie von Möwen und Krähen
untergingen und die nach dem Volksglauben die pneumatische Kraft des Sturms
brach.
    Die Sterbenden wurden gesalbt,
Beichtende losgesprochen, Neugeborene getauft. Im übrigen wurde England ein
heidnisches Land.
    Da achttausend Kathedralen und
Pfarrkirchen geschlossen waren, hatten Tausende von Priestern und Klerikern
keine Arbeit. Keine Gottesdienste wurden an Ostern und Weihnachten gehalten,
keine Messen gelesen, nicht einmal in Konventen und Klöstern, keine Kommunion
ausgeteilt, keine Trauungen gefeiert, keine Predigt, kein Unterricht gehalten;
es gab keine Prozessionen, keine Wallfahrten zu Heiligtümern wie Ely,
Walsingham oder Canterbury, kein Abschreiten des Kirchsprengels. Die Toten
wurden in ihre Tücher gehüllt und wie Hunde begraben.
    Auf den Sommer folgte der
Winter und wieder ein Sommer, ohne ein einziges christliches Fest. Dieser lange
Karfreitag, den der Papst in seinem Erbarmen über England verhängt hatte,
sollte sechs Jahre, drei Monate und vierzehn Tage dauern.
    Im Oktober 1209 folgte dem Bann
die Exkommunikation des Königs. Drei Jahre später setzte der Papst Johann ab
und legte Philipp von Frankreich nahe, er möge sich bereitmachen, ihn zu
vertreiben und den Thron von England zu übernehmen. Wer dem Papst gehorchte,
sollte die gleichen Ablässe bekommen wie die Kreuzritter.
    England freute sich darauf,
einen Tyrannen loszuwerden. Er schlief nach Belieben mit jedermanns Frau. Er
zog reichen Juden, die ihr Geld nicht herausrücken wollten, die Zähne, einen
nach dem anderen. Er nahm Geiseln, und als es in Wales einen Aufstand gab,
hängte er in Nottingham Castle im Sommer 1212 achtundzwanzig Knaben, die Söhne
walisischer Häuptlinge.
    Als Philipp an der Mündung der
Seine seine Truppen bewaffnete, spielte Johann seine Trumpfkarte: Er bat Rom,
einen Legaten zu senden, um Frieden zu schließen.
    Überglücklich schickte der
Papst Kardinal Pandulf. Am 13. Mai 1213 kapitulierte Johann vor einer
Versammlung von Baronen und dem Volk in Dover. Er versprach, der Kirche Gelder
und Ländereien vollständig zurückzugeben.
    Zwei Tage später unterschrieb
er bereitwillig ein zweites Dokument und schenkte England selbst »Gott und
Unserem Herrn, Papst Innozenz, und seinen katholischen Nachfolgern«. Daran
befestigte er nicht das übliche Wachssiegel, sondern ein Siegel aus Gold. Von
nun an, versprach Johann, würden er und seine Erben ihre Gebiete als Vasallen
des Papstes halten und für dieses Privileg einen Jahreszins von tausend Mark
zahlen, zusätzlich zum Peterspfennig.
    Innozenz’ Sieg machte ihm eine
außerordentliche Freude, doch er war ein weiteres Beispiel dafür, daß der Papst
zu massiv vorgegangen war. Die päpstliche Souveränität über England endete
nämlich 1333, in dem Jahr, als Edward II. sich weigerte, dem Papst weiteren
Zins zu zahlen. Als Papst Urban V. instinktloserweise eine Nachzahlung für
dreiunddreißig Jahre forderte, beriet sich Edward mit seinen Beamten und kam zu
dem Schluß, Johanns Schenkung Englands an den Heiligen Stuhl habe gegen seinen
Krönungseid verstoßen und sei daher ungültig. Die Päpste sahen das anders, und
diese Streitfrage sollte direkt zur Trennung Englands vom Katholizismus unter
Königin Elizabeth I. beitragen. Sie hatte nicht viel dafür übrig, Vasallin des
Papstes genannt zu werden oder zu denken, sie hätte England nur von einem
ausländischen Potentaten gemietet.
    Philipp von Frankreich war
bitterböse auf Innozenz III. Er hatte sechzigtausend Pfund in den Kanal
gepumpt, doch er wagte es nicht, englischen, nun päpstlichen Boden zu betreten.
    Zwar wurde Johanns Exkommunizierung
aufgehoben, doch der Bann blieb bis Juni 1214 bestehen, als er alles bezahlt
hatte. Erst dann wurden die Kirchentüren geöffnet, das Te Deum gesungen
und die Glocken wieder geläutet. Und mit der freundlichen Erlaubnis Papst
Innozenz’ III. durfte Christus wieder nach England.
    Unterdessen erreichte der Haß
der Barone gegen Johann solche Ausmaße, daß sie die Magna Charta aufsetzten, in
der die Rechte von Kirche und Volk — speziell Baronen — garantiert wurden, und
Johann zwangen, sein Siegel daran zu befestigen. Der Charta zufolge war der
König wie alle freien Menschen dem Gesetz unterworfen, und die Gesetze sollten
nicht geheim sein, sondern bekannt.
    Johann, nun ein frommer
Katholik, informierte natürlich seine Heiligkeit. Als Innozenz davon hörte,
rief er aus: »Bei Petrus, wir

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