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Gottes Gehirn

Gottes Gehirn

Titel: Gottes Gehirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Johler , Olaf-Axel Burow
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eigenen Augen gesehen haben - aber auch dann fällt es noch schwer. Troller musste mehrmals hinschauen, bevor er richtig begreifen konnte, was er da sah. In die untere Hälfte der Kugel war eine große Schale eingelassen, in der eine graue, vielfach gefurchte und zerklüftete Masse in einer rötlichen Flüssigkeit schwamm. Kein Zweifel: Dieser Klumpen dort war ein riesiges Gehirn, zusammengefügt aus verschiedenen Einzelhirnen, deren ursprüngliche Konturen durchaus noch zu erkennen waren. Das Gedankenexperiment, von dem Lansky und Marconi gesprochen hatten, war Wirklichkeit geworden. Da war es, das Gehirn in der Schüssel! Nur, dass es nicht nur eins war, sondern – wie viele? Ein kalter Schauer lief Troller über den Rücken. Gewiss, sie hatten alle drei geahnt, worauf Blakes Unternehmung hinauslief. Aber es war zweierlei, ob man sich etwas bloß vorstellte oder ob man die Gehirne von Menschen, mit denen man vor wenigen Tagen noch gesprochen hatte, vor sich in einer Schüssel sah. Lebendig in einer Schüssel! Hatte es nicht sogar den Anschein, als pulsierten sie leicht?
Troller wollte aufspringen, um sich die Sache aus der Nähe anzuschauen, aber bevor er noch aus dem Sessel herauskommen konnte, legten sich stählerne Fesseln um seine Beine und Arme.
„Tut mir Leid“, sagte Blake. „Nur eine Sicherheitsmaßnahme.“
Troller schaute nach rechts. Auch Jane war gefesselt. Und Rubinowitz, links von ihm, ebenso.
Jane war bleich geworden. Troller konnte förmlich sehen, wie es in ihrem Kopf arbeitete. Auch in seinem Kopf arbeitete es. Wie hatten sie nur so dumm sein können! Als Blake ihnen erzählt hatte, dass er ganz allein hier unten sei, dass alle seine Mitarbeiter die Farm verlassen hätten, auch die Sicherheitskräfte, da hätten sie ihn mühelos überwältigen können. Drei gegen einen! Stattdessen hatten sie sich so sicher gefühlt, dass ihnen der Gedanke, von Blake überlistet zu werden, gar nicht gekommen war. Wie konnte man nur so naiv sein! Als ob es nur um sie selbst ginge! Hatten sie vergessen, was da draußen vorging? Dass die Erde bebte, dass die Tiere und Pflanzen außer Kontrolle gerieten, dass die Züge entgleisten und die Straßen und Flughäfen nicht mehr zu gebrauchen waren? Was würde noch passieren?
Troller schaute wieder auf die durchsichtige Kugel und die darin schwimmenden Gehirne. Oder das Gehirn. Er spürte eine Mischung aus Ekel und Faszination. Jane und Rubinowitz ging es offenbar nicht anders.
„Sie sind wahnsinnig!“, stieß Rubinowitz hervor.
„Unsere Welt ist wahnsinnig“, sagte Blake. „Aber Syntopos wird sie retten.“
„Syntopos?“
„Das ist der Name, den ich meinem Werk gegeben habe. Syntopos, das ist der Ort der Begegnung, der Zusammenschau. Der Ort des vereinigten Wissens.“
Blake machte jetzt einen vollkommen entrückten Eindruck. „Syntopos wird verhindern, dass die Wissenschaft noch einmal so versagt wie im letzten Jahrhundert.“
„Das ist – genial“, sagte Jane.
Troller schaute sie verwundert an. Was war los mit ihr? Vermutlich wollte sie nur Zeit gewinnen.
„Genial?“, rief Rubinowitz aufgebracht. „Der Mann ist verrückt. Er ist wahnsinnig!“
„Genie und Wahnsinn lagen schon immer nahe beieinander“, sagte Jane. „Aber das hier ist eindeutig genial. Bitte, Mr. Blake, sagen Sie mir: Wie sind Sie auf die Idee gekommen?“
Troller warf einen verstohlenen Blick auf seine Uhr. Seit der Nachricht an Ross waren ungefähr drei Stunden vergangen. Wie lange wurde der Lieutenant brauchen, um seine Leute zusammenzurufen und hierher zu kommen? Würde er es überhaupt tun? Hatte er die Nachricht auf seiner Mailbox abgehört? Und wenn ja, hatte er sie ernst genommen?
„Es begann mit einem Traum“, sagte Blake.
„Ihrem Traum von der Wüste und der Oase?“
Blake nickte. „Schön, dass Sie sich daran erinnern. Dieses Bild hat mich nicht mehr losgelassen. Die Oase des Geistes, in der Wissenschaftler, Philosophen, Künstler gemeinsam zu einer neuen Melodie finden und nach ihr tanzen, mit einer Leichtigkeit, die uns Heutigen unvorstellbar erscheint. Diese Melodie ging mir nicht mehr aus dem Sinn. Die Melodie eines neuen, eines besseren, eines schöpfungsgemäßen Lebens. Mir wurde klar, dass unsere Aufgabe als Mensch nicht darin bestehen kann, ein selbstsüchtiges, egoistisches Leben zu führen. Nein, wir alle haben die Verpflichtung, unsere Anstrengungen zu koordinieren, um eine höhere Intelligenz zu entwickeln.“
Gut so, dachte Troller. Lass ihn reden. Je mehr

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