Gottes Gehirn
Persönlichkeiten zusammengesetzt sein, sie brauchen ein klares Feindbild, das sie zusammenschweißt, und sie brauchen einen starken Leiter.“
„Der Sie nicht waren.“
Halt die Klappe, dachte Troller.
Blake ließ sich durch Janes Bemerkung nicht beirren. Er erhob sich und ging ruhig im Zimmer auf und ab. „Ein geniales Team muss selbst wie eine Insel sein, eine Insel in der Gesellschaft. Menschen, die die Welt verändern wollen, müssen sich zunächst von ihr abwenden, um dann mit dem Neuen, das sie in ihrer Abgeschiedenheit ersonnen oder empfangen haben, in die Welt zurückzukehren.“
„Wie Lenin im Exil oder Mandela in seiner Zelle“, sagte Troller.
Blake nickte. „Geniale Teams entwickeln eine eigene Kultur – mit eigenen Bräuchen, eigener Kleidung, eigenen Scherzen und einer exklusiven Privatsprache. Und“, er fixierte Jane mit leuchtenden Augen, „in genialen Teams gibt es jede Menge Spaß. In dieser engen und intensiven Zusammenarbeit entsteht eine erotisch aufgeladene Atmosphäre.“
„Erotisch ist gut“, sagte Jane, „wenn man bedenkt, dass unter Ihren Wissenschaftlern keine einzige Frau war.“
„Ich habe das bedauert, aber Madame Curie war damals schon tot.“
„Sie hätten Jane Goodall fragen können.“
„Ich hatte sie angeschrieben, aber sie wollte nicht. Sie schrieb mir, sie hätte schon genug Affen um sich“, sagte Blake und lachte.
„Und Sie haben allen Ernstes erwartet, dass diese Leute alles stehen und liegen lassen und Ihnen für sieben Jahre auf eine einsame Insel folgen?“, fragte Jane fassungslos.
„Ja, natürlich. Ich bot ihnen eine einmalige Chance!“, rief Blake aus. „Ich hätte ihnen sieben Jahre lang alle Sorgen und Belästigungen vom Halse gehalten. Wir hätten alle Ressourcen gehabt, die wir benötigten.“
„Und die Finanzierung?“
„Die war längst geregelt.“
„Welche Rolle hat Adams dabei gespielt?“
„Ach ja, jetzt kommt wieder dieser paranoide Kram“, sagte Blake ärgerlich. „Jeff Adams, der Bösewicht, der Monopolist, der Superreiche, der die Welt beherrschen will. Mr. Goldfinger! Das ist doch alles Unsinn.“
„Wir wollen eigentlich nur wissen, wer dieses Robinson-Projekt, dieses Mindsphere II, finanziert hätte“, sagte Jane ruhig. „Keine Paranoia. Nur Interesse. Wie war das also mit Adams?“
„Also gut, ich bin mit ihm befreundet“, sagte Blake. „Aber glauben Sie mir, das Geld ist das geringste Problem. Für schöpferische Menschen ist die Arbeit an sich Belohnung.“
„Klingt faszinierend“, sagte Troller.
„Und warum hat es am Ende nicht geklappt?“, fragte Jane. Blake schien die Frage nicht gehört zu haben. Er stand da und schaute wieder auf den Horizont. Er ist gescheitert, dachte Troller. Er steht da und denkt darüber nach, warum er versagt hat. Er kann einem beinahe Leid tun. Troller verstand nicht, warum Jane nicht mehr Respekt vor Blakes Größe hatte, auch vor der Größe seines Scheiterns.
„Womit ich nicht fertig werde“, sagte Blake, und sein Blick blieb auf den Horizont gerichtet, vor dem die Gleitsegler unter ihren bunten Schirmen hingen, „ist dies: Das Manhattan-Projekt hat funktioniert. Warum nicht meins?“
„Die anderen hatten ein klar definiertes Ziel“, sagte Jane.
„Ist das Ziel, die Wissenschaften zu vereinen, um die Menschheit zu retten, etwa nicht klar definiert?“
„Das Ziel, eine Atombombe zu bauen, ist klarer.“
„Das war ein – zutiefst – destruktives Projekt!“, rief Blake erregt aus und lief dabei vor Zorn rot an. „Ein Projekt, das das Dilemma fast aller Wissenschaftsprojekte des vergangenen Jahrhunderts zeigt: Es sollte uns retten und hat uns letztlich nur noch tiefer ins Elend gestoßen.“ Er hielt inne, besann sich, atmete einmal tief durch, fuhr sich mit der Hand durchs Haar und sprach dann ruhig weiter: „Bitte verzeihen Sie meine Erregung, aber ich habe immer noch Mühe zu verstehen, warum gerade die destruktiven Projekte so erfolgreich sind. Mindsphere II war durch und durch demokratisch konzipiert, es ging um eine Sache, die das Anliegen aller Menschen sein sollte, das vornehmste Ziel der Wissenschaft. Und doch – ich weiß nicht, warum die Konferenz damals gescheitert ist. Vielleicht lag es an Lansky.“
„Lennart Lansky?“, sagte Troller und zeigte auf das Gruppenfoto, auf dem der berühmte KI-Forscher im Hawaiihemd zu sehen war.
„Ja“, sagte Blake, „aber vielleicht überschätze ich auch seinen Einfluss.“
„Wieso?“, fragte Jane. „Was hat er denn
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