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Gottes Gehirn

Gottes Gehirn

Titel: Gottes Gehirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Johler , Olaf-Axel Burow
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wem sollten wir anfangen wenn nicht bei Ihnen?“
    „Warum?“, fragte Blake. „Wegen dieser so genannten Glückspille? Das war doch ein Pyrrhussieg.“
„Soweit ich weiß, war es der Durchbruch in der Behandlung von Depressionen.“
„Das habe ich auch gedacht, aber was als Heilmittel für Depressive gedacht war, wird inzwischen von Millionen Menschen genommen, die sich nur ein bisschen besser fühlen wollen. Und was kommt dabei heraus? Sie verlieren ihren Realitätsbezug, ihre Kritikfähigkeit und, was das Schlimmste ist, sie stellen damit auch noch ihre Kinder ruhig.“
    „Aber Sie haben daraus doch die Konsequenzen gezogen. Sie haben sich von den überkommenen Theorien freigemacht und die Wissenschaft um ein neues Paradigma bereichert.“
„Sicher, sicher“, unterbrach ihn Blake, „aber so besonders war das nun auch wieder nicht. Es ist die Pflicht eines jeden Forschers, das Alte in Frage zu stellen und nach neuen Wegen zu suchen. Das ist es, was ich den jungen Leuten an diesem Institut immer wieder vermitteln möchte. Aber“, er machte eine hilflose Handbewegung, „offenbar bin ich dabei nicht sehr erfolgreich.“
„Jetzt übertreiben Sie aber wirklich“, widersprach Jane, die bislang still dagesessen und Blake aufmerksam betrachtet hatte. „Ihr Institut ist eines der erfolgreichsten der Welt, auch wenn Sie sich selbst längst von der eigentlichen biologischen Forschung verabschiedet haben.“
„Richtig“, sagte Blake. „Ich bin sehr skeptisch, was die Möglichkeiten unserer Wissenschaft angeht. Was hat uns denn der wissenschaftliche Fortschritt im vergangenen Jahrhundert gebracht?“ Fragend blickte er auf den Horizont, als erwarte er von dort die Antwort.
Dann drehte er sich um und sagte: „Millionen Tote in unzähligen Kriegen, ein erschreckendes Bevölkerungswachstum, die beschleunigte Vernichtung natürlicher Ressourcen, die Beseitigung aller kulturellen Unterschiede unter dem Diktat der multinationalen Konzerne. Und eine soziale Ungerechtigkeit, die zum Himmel schreit. Wir sind inzwischen soweit, dass dreihundertachtundfünfzig Personen über fünfzig Prozent des Weltvermögens verfügen. In einer zusammenwachsenden Weltgesellschaft, in der die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wird, steigt die Kriegsgefahr unablässig. Und die Wissenschaft liefert auch noch die Waffen. Glauben Sie mir“, sagte er, „die Wissenschaft ist selber das Problem, das sie zu bekämpfen vorgibt.“ Er setzte sich in seinen Sessel und ließ die Schultern noch ein wenig tiefer hängen. „Aber“, sagte Jane, „Sie sind doch immer noch der führende Kopf in diesem Institut. Die Leute hier arbeiten unter Ihrer Leitung.“
    „Unter meiner Leitung?“ Blake lachte bitter. „Ich will Ihnen erklären, was passiert ist. Wissen Sie, ich war damals ein junger Mann, etwa in Ihrem Alter, und ich war überwältigt von meinem plötzlichen Erfolg. Eben noch ein Nobody, und dann mit achtundzwanzig Jahren Nobelpreisträger. Das stellt Ihr ganzes Leben auf den Kopf.
Alle wollen Sie auf einmal unterstützen. Jeder denkt: Ah, der ist ein Genie! Und alle erwarteten von mir natürlich den nächsten genialen Wurf.“ Er machte eine Pause und fuhr mit gesenkter Stimme fort:
„Ich hatte auf einmal das Gefühl, dass ich etwas falsch machte. Mich überfiel eine große Leere. Ich konnte nicht mehr schlafen, nicht mehr essen, nicht mehr arbeiten. Ich muss damals schrecklich ausgesehen
haben, abgemagert, völlig verwahrlost. Und dann, nach ich weiß nicht wie vielen schlaflosen Nächten, hatte ich einen merkwürdigen Traum. Ich befand mich mitten in einer dieser endlosen Wüsten.“ Er wies in Richtung Osten, Richtung Mojave-Wüste. „Ich bin allein, ich leide wie ein krankes Tier unter der Hitze, ich schleppe mich mit letzter Kraft durch ausgedörrtes, verbranntes Terrain. Ich bin völlig entkräftet und schon bereit, mich aufzugeben, da öffnet sich plötzlich vor mir ein kleines Hochplateau, umstanden von Palmen, die auf einer saftigen Wiese wachsen. Ringsherum sind bunte Zelte und Bühnen aufgebaut. Ich schleppe mich mit letzter Kraft dorthin und sehe zu meiner Verwunderung, dass hier ein Fest gefeiert wird. Mitten in der Wüste. Und was für ein Fest! Musiker, Philosophen, Sprachwissenschaftler, Mathematiker, Physiker, Indianer, lauter verrückte Typen tanzen miteinander und singen und verständigen sich in einer Sprache, die ich nicht verstehe und die von einer fremdartigen Melodie getragen ist. Im Traum summe ich diese

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