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Gottes Gehirn

Gottes Gehirn

Titel: Gottes Gehirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Johler , Olaf-Axel Burow
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Leistungen, die uns der Baum kostenlos liefert, künstlich erzeugen wollten, also zum Beispiel Luftfilterung, Sauerstoff- und Humusproduktion, Wasserspeicher, Klimaregler, Lebens- und Erholungsraum, und diese Leistungen in Cent und Dollar berechnen wollten, dann würden wir feststellen, dass schon ein einzelner Baum unbezahlbar ist. Die Reduzierung des Baums auf seinen Holzwert ist Ausdruck einer beschränkten, betriebswirtschaftlichen Denkungsart, die sich um das Verständnis komplexer Zusammenhänge nicht kümmert. Sie verstehen jetzt, worauf ich hinaus will?“
    „Klar“, sagte Jane und zeigte auf die Projektion. „Auf diese vier Quadranten übertragen heißt das, der Biologe, der den Baum und seine kleinen und großen Bewohner untersucht, soll den Betriebswirten das richtige Rechnen beibringen, dann tun sie sich mit den Freizeitforschern zusammen und gehen gemeinsam zum Politiker, vom dem sie eine richtige Umweltpolitik fordern. Dabei haben dann allerdings die Kirchen und die Ethikprofessoren auch noch ein Wörtchen mitzureden.“
    „Ist Ihre Kollegin immer so zynisch?“, fragte Blake amüsiert. „Ich weiß nicht“, sagte Troller, „ich kenne sie noch nicht so lange. Ich wurde die Sache natürlich etwas anders formulieren: Durch Syntopie zu einer neuen Dimension des Denkens.“
„Genau“, sagte Blake. „Wir hätten eine ganzheitliche Medizin geschaffen, wir hätten die Trennung von sozial- und naturwissenschaftlicher Methodik überwunden, wir hätten die Klaviatur der Schöpfung
nachgebaut und wären in der Lage gewesen, virtuos auf ihr zu spielen.“ Er hielt inne und dachte einen Augenblick nach. „Vielleicht war das die tiefere Bedeutung meines Traums in der Wüste.“
    „Und woran ist dieser Traum gescheitert?“, fragte Jane. Blake fiel wieder in sich zusammen. „Wissen Sie“, sagte er resigniert. „Ich bin mir gar nicht mehr sicher, ob Wissenschaftler dazu fähig sind. Sie können sich endlos darüber streiten, wie die Quantenmechanik und die Einsteinsche Relativitätstheorie miteinander zu
vereinen sind, Stringtheorie, ja oder nein, was weiß ich. Aber die nahe liegende Frage, wie wir es lernen können, friedlicher, gerechter, menschlicher miteinander umzugehen, interessiert sie nicht.“
    „Fachidioten.“
„Wie bitte?“
„Fachidioten“, wiederholte Troller. „So nannte man es in den Sechzigern.“
„Richtig“, sagte Blake, „ich hatte von Syntopie geträumt und war von Fachidioten umgeben. Wissen Sie, was das Problem war?“
    „Was war das Problem?“, fragte Jane.
„Es ist so entsetzlich banal“, sagte Blake und fuhr sich wieder durch die Haare. „Sie konnten nicht miteinander reden.“ Er machte eine hilflose Handbewegung. „Ich hätte es wissen müssen“, murmelte er, „ich hätte es wissen müssen . . .“ Wieder hielt er inne und wandte sich dann Troller zu: „Wie kleine, ungezogene Kinder haben sie sich benommen. Haben einander nicht ausreden lassen, haben einander nicht zugehört, haben nur gegeneinander agiert. Jeder wusste alles besser. Sie sprachen einander sogar die Wissenschaftlichkeit ab. Nicht alle waren so. Aber die tonangebenden Fraktionen haben von vornherein verhindert, dass ein konstruktives Klima entstand. Den Höhepunkt oder Tiefpunkt, wie Sie wollen, bildete die Auseinandersetzung zwischen Lansky und Kranich.“
„Kranich?“, hakte Jane nach.
    „Wieso? Worum ging es?“
    „Lansky beschimpfte Kranich, weil dieser in einem längeren Statement von den Grenzen der Wissenschaft gesprochen hatte, von der Mauer der wissenschaftlichen Ratio, die zu bröckeln beginne, und davon, dass man gewisse Strömungen oder Unterströmungen, in denen neue Formen des Wissens erprobt und erfahren werden, ernst nehmen sollte. Ich muss gestehen, ich konnte mit Kranichs Ausführungen auch nicht allzu viel anfangen, aber man muss doch zunächst einmal hinhören. Man muss offen sein, bereit, etwas Neues an sich heranzulassen. Aber Lansky wurde sofort ausfallend. So einer wie Kranich habe hier nichts zu suchen, schrie er. Der sei doch nichts als ein Wichtigtuer.
Schmeißt ihn raus, brüllte er und tobte, als wäre er durchgedreht.“
    „Und wie hat Kranich reagiert?“
„Das hat mich erstaunt“, sagte Blake. „Er blieb völlig ruhig. Er reagierte vollkommen gelassen auf Lanskys Ausfälle. Es schien ihm nichts auszumachen. Erst später, am nächsten Tag, nachdem Lansky seinen Vortrag über die Vision eines körperlosen Geistes gehalten hatte, sprang Kranich nun

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