Gottes Gehirn
Einmal allerdings hatte er seine Fassung verloren. Sie hatten an einer Tankstelle gehalten, um Benzin nachzufüllen, und während sie sich draußen die Beine vertraten, hatte Jane gefragt: „Haben Sie nicht Angst, dass Sie das nächste Opfer sein könnten?“
„Natürlich habe ich Angst“, hatte Jackson ungewohnt laut und heftig geantwortet. „Glauben Sie, es lässt einen kalt, wenn Leute, mit denen man mal an einem Tisch gesessen hat, so einfach umgebracht werden?“
Aber gleich darauf war er wieder so beherrscht wie immer gewesen. Auf Janes Behauptung „Es muss doch was mit dieser Konferenz zu tun haben, alle Opfer waren Teilnehmer der Blake-Konferenz“, hatte er nur gesagt: „Lassen Sie die Polizei ihren Job machen. Meiner ist es nicht. Und Ihrer, denke ich, auch nicht. Also Schluss damit.“
„Wie groß ist das Gelände hier?“, fragte Troller, als sie die Schranke passiert hatten.
„Achtzig Hektar.“
„Das ist ja riesig. Wozu brauchen Sie so viel Land?“
„Wir haben Tiere. Und wir expandieren. Wir stehen erst am Anfang einer gewaltigen Entwicklung.“
„Und eines gewaltigen Geschäfts“, sagte Jane.
„Oh ja“, sagte Jackson zuversichtlich. „Davon bin ich überzeugt.“
Sie fuhren ungefähr eine Meile auf einer breiten asphaltierten Straße, bis sie zu einer Ansammlung von mehreren flachen, pavillonartigen Gebäuden kamen, die so weit auseinander lagen, dass die Leute sich in Trolleys oder mit Fahrrädern zwischen ihnen hin- und herbewegten. Sie standen überall herum, offenbar von jedem zu benutzen, der gerade so ein Ding brauchte.
Jackson hielt an einem dieser Gebäude, an das eine gesondert umzäunte Weide angrenzte, auf der ein paar Schafe standen und vor sich hin glotzten. „Einige sind drinnen“, sagte Jackson. „Die anderen draußen. Sie können sich frei bewegen, wenn sie nicht gerade gemolken werden. Fällt ihnen was auf?“
„Sie sehen alle gleich aus“, sagte Jane. „Aber für mich sehen sowieso alle Schafe gleich aus. Außer, wenn ein schwarzes dabei ist.“
„Was heißt, wenn sie nicht gerade gemolken werden?“, sagte Troller. „Schafkäse werden Sie hier ja wohl nicht gerade produzieren.“
„Nein“, sagte Jackson, „Medikamente. Die Milch enthält ein menschliches Eiweiß, das man zur Heilung bestimmter Lungenkrankheiten benötigt.“
„Sagten Sie menschliches Eiweiß?“, sagte Jane.
„Aber sicher, das ist ja der Witz an der Sache. Wir haben die Schafe geklont und ihnen bei der Gelegenheit ein menschliches Gen eingefügt. Wir haben obendrein dafür gesorgt, dass dieses menschliche Transgen nur in der Brustdrüse während der Milchbildung angeschaltet wird. Und nun produzieren diese Tiere fleißig das Eiweiß alpha-1-Antitrypsin. Wir nennen das Pharming – mit Ph.“
„Hübsches Wortspiel.“
„Vor allem ein hübsches Verfahren“, sagte Jackson. „Und sehr lukrativ. Das Klonen ist natürlich immer noch sehr aufwendig, wir brauchen rund hundert Embryos, um ein überlebensfähiges Lamm zu produzieren, aber wenn wir erst einmal ein genverändertes Paar haben, verlassen wir uns wieder auf die traditionelle Art der Fortpflanzung. Von dieser Sorte hier haben wir schon eine ganze Herde. Und weiter draußen noch ein paar andere.“
„Dann sind Sie ja wirklich so eine Art Farmer“, sagte Jane.
„Tja“, sagte Jackson, „als ich anfing, Biologie zu studieren, hätte ich mir wirklich nicht gedacht, dass ich mal Schafe hüten würde.“
Sie stiegen wieder in den Jaguar und fuhren ein paar hundert Meter weiter. Das Gebäude, vor dem sie hielten, hatte eine große Metalltür, in die eine kleinere Tür eingelassen war. Jackson öffnete die kleine Tür, und man vernahm augenblicklich ein eifriges Grunzen und Quieken in verschiedensten Tonlagen.
„Schweine?“
„Ganz besondere Schweine“, sagte Jackson stolz. „Wir haben sie ein bisschen humanisiert.“ Er winkte einem Arbeiter (oder Angestellten oder hochqualifizierten Gentechniker, was wusste man schon, wer die Leute waren, die hier herumliefen), stellte ihm Troller und Jane vor – sein Name war Bill – und bat ihn, ein Schwein zu holen.
„Was heißt das – humanisiert?“, wollte Jane wissen.
„Schauen Sie“, sagte Jackson, „Schweine sind dem Menschen biologisch sehr ähnlich. Kaum ein anderes Tier besitzt einen Stoffwechsel, der dem des Menschen derartig gleicht. Außerdem sind bei ihnen Herz, Leber und andere Organe ebenso groß wie die eines Durchschnittsmenschen. Darum sind diese Tiere so gut als
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