Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
Vom Netzwerk:
schon selber feucht und klebrig vorkam und dankbar war, daß er nicht allzu nah bei Dr. Gingrich saß und dieser ihn nicht anfassen konnte; Gingrich war ganz offensichtlich ein Anfasser.
    »Falls es nicht zuviel verlangt ist von Ihnen an Unterstützung«, sagte Dr. Larch, »so hätte ich nicht nur gerne eine neue Schreibmaschine, ich hätte auch gern die Erlaubnis, die alte zu behalten.«
    »Das ließe sich wohl machen«, sagte Mrs. Goodhall.
    Schwester Edna, der unverhoffte Einsichten – genauso wie, trotz ihres Alters, heiße Wallungen – völlig fremd waren, die in der Welt von Omen und Zeichen oder Vorahnungen gänzlich unerfahren war, spürte eine neue und atemraubende Galle in sich hochsteigen. Sie ertappte sich dabei, wie sie Mrs. Goodhall mit einem Haß anstarrte, von dem sie niemals auch nur geahnt hätte, daß sie ihn für ein anderes Menschenwesen empfinden könnte. O du liebe Güte, der böse Feind! dachte sie; sie mußte sich entschuldigen, weil ihr übel wurde. (Sie übergab sich, diskret und unsichtbar, im Duschraum der Knaben.) Nur David Copperfield, der immer noch über Curly Days Weggang trauerte und mit dem Sprechen immer noch auf Kriegsfuß stand, entdeckte sie.
    »Medna?« fragte Klein Copperfield.
    »Es geht mir gut, David«, sagte sie, aber es ging ihr gar nicht gut. Ich habe das Ende gesehen, dachte sie mit ungekannter Bitterkeit.
    Auch Larch hatte es gesehen. Irgend jemand wird mich ablösen, erkannte er. Und es wird nicht mehr lange dauern. Er schaute auf seinen Kalender; er hatte am nächsten Tag zwei Abtreibungen auszuführen, und gegen Ende der Woche wahrscheinlich drei weitere. Auch gab es immer welche, die einfach hereinschneiten.
    Und wie, wenn sie jemand finden, der das nicht machen will? dachte er.
    Als die neue Schreibmaschine eintraf, paßte sie – gerade rechtzeitig – in seine Pläne für Fuzzy Stone.
    »Schönen Dank für die neue Schreibmaschine«, schrieb Larch an den Treuhänderausschuß. Sie sei »gerade rechtzeitig« eingetroffen, fügte er hinzu, weil die alte Schreibmaschine (die er, falls man sich erinnere, zu behalten wünschte) völlig zusammengebrochen sei. Das war gelogen. Er hatte die Typen der alten Schreibmaschine auswechseln lassen, und jetzt tippte sie eine Geschichte in einer anderen Schrift.
    Sie tippte Briefe des jungen Fuzzy Stone. Fuzzy begann, indem er Dr. Larch wissen ließ, wie sehr er sich darauf freue, Arzt zu werden, wenn er erwachsen wäre, und wie sehr Dr. Larch ihn ermutigt habe, diese Entscheidung zu treffen.
    »Ich bezweifle, daß ich, was Abtreibungen betrifft, jemals die gleiche Einstellung haben werde wie Sie«, schrieb der junge Fuzzy an Dr. Larch. »Gewiß, die Geburtshilfe interessiert mich sehr, und Ihr Vorbild hat mein Interesse dafür überhaupt erst geweckt, aber ich vermute, daß wir in puncto Abtreibung niemals einer Meinung sein werden. Obwohl ich weiß, daß Sie Abtreibungen aus den lautersten Überzeugungen und mit den besten Absichten ausführen, muß ich mir erlauben, diesbezüglich meinen Überzeugungen zu gehorchen.«
    Und so weiter, und so fort. Larch umspannte die Jahre; er schrieb in die Zukunft hinaus und ließ auch ein paar passende Lücken entstehen. Larch vervollständigte Dr. F. Stones Ausbildung (er brachte ihn durch die Medical School, er vermittelte ihm geburtshilfliche Techniken, die der alte Dr. Larch den jungen Dr. Stone ausführlich beschreiben ließ). Und immer blieb Fuzzy Stone seinen Überzeugungen treu.
    »Es tut mir leid, aber ich glaube, es gibt eine Seele, und sie existiert vom Augenblick der Empfängnis an«, schrieb Fuzzy Stone. Er wurde ein wenig hochtrabend, als er älter wurde, beinah salbungsvoll in seiner Dankbarkeit gegen Dr. Larch, mitunter sogar fähig zu Herablassung – jener Art Gönnerhaftigkeit, die ein junger Mann sich herausnimmt, wenn er meint, über seinen Lehrer »hinausgewachsen« zu sein. Larch verlieh Fuzzy Stone eine unverkennbare Selbstgerechtigkeit, die bei den Anhängern des bestehenden Gesetzes gegen die Abtreibung Vertrauen erwecken mußte.
    Er ließ den jungen Dr. Stone sogar vorschlagen, daß er Dr. Larch ablösen sollte – »aber selbstverständlich nicht, bevor Sie bereit sind, in den Ruhestand zu treten!« – und daß Dr. Larch in dieser Ablösung den Beweis dafür sehen möge, daß das Gesetz eingehalten werden müsse, daß Abtreibungen nicht vorgenommen werden dürften, und daß eine sichere und aufgeklärte Methode der Familienplanung (Geburtenkontrolle und so

Weitere Kostenlose Bücher