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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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war Larch gereizt.
    »Ich weiß nicht, was ›eigentlich‹ ein Autokino ist«, sagte er ärgerlich zu Schwester Angela. »Homer sagt es nicht ›eigentlich‹.«
    Schwester Angela schaute enttäuscht drein. »Nein, tut er nicht«, pflichtete sie bei und überflog den Brief immer wieder.
    »Was macht man mit den Autos, während man sich den Film ansieht?« fragte Schwester Edna.
    »Ich weiß nicht«, sagte Dr. Larch. »Ich nehme an, wenn man in etwas hineinfährt, um den Film anzusehen, muß man in seinem Auto bleiben.«
    »Aber was ist es, wo man hineinfährt, Wilbur?« fragte Schwester Edna.
    »Das weiß ich doch eben nicht!« brüllte Larch.
    »Na, sind wir nicht in herrlicher Stimmung?« warf Schwester Angela ein.
    »Warum will man überhaupt sein Auto ins Kino mitnehmen?« fragte Schwester Edna.
    »Auch darauf weiß ich keine Antwort«, sagte Dr. Larch erschöpft.
    Leider machte er auch während der Tagung der Treuhänder einen erschöpften Eindruck. Schwester Angela versuchte, an seiner Stelle gewisse dringliche Anliegen des Waisenhauses vorzutragen; sie wollte vermeiden, daß er einem der Ausschußmitglieder gegenüber ausfallend wurde. Die zwei neuen Mitglieder hatten es anscheinend furchtbar eilig zu beweisen, daß sie längst alles verstanden hatten – und Schwester Angela mußte feststellen, daß Dr. Larch die beiden mit einem ähnlichen Blick betrachtete, wie er ihn früher manchmal auf Clara geworfen hatte, wenn er entdeckte, daß Homers Leiche nicht anständig weggeräumt worden war.
    Die neue Frau im Ausschuß war aufgrund ihrer Tüchtigkeit beim Geldsammeln berufen worden; sie war besonders aggressiv. Sie war mit einem Kongregationalisten-Missionar verheiratet gewesen, der in Japan Selbstmord verübt hatte, und war mit dem Ehrgeiz in ihren Heimatstaat Maine zurückgekommen, ihre beträchtlichen Energien für etwas »Machbares« einzusetzen. Japan sei ganz und gar nicht »machbar« gewesen, sagte sie immer wieder. Im Vergleich dazu waren die Probleme in Maine ganz leicht zu bewältigen. Sie glaubte, daß hier nichts anderes benötigt würde – oder fehlte – als gute Organisation und daß jede Lösung mit »frischem Blut« anfing – eine Redewendung, die, wie Schwester Angela beobachtete, Dr. Larch erbleichen ließ, als sickere sein eigenes Blut aus ihm heraus.
    »Das ist eine unglückliche Ausdrucksweise für uns, die wir mit der Arbeit im Spital vertraut sind«, schnappte Dr. Larch irgendwann, aber die Frau – Mrs. Goodhall – wirkte nicht ausreichend gebissen.
    Mrs. Goodhall sprach, wenn auch kühl, ihre Bewunderung für den Ernst und die Ausdauer von Dr. Larchs »Unternehmen« aus und ihren Respekt vor der vielen Erfahrung, die Larch und seine Assistentinnen mit der Leitung von St. Cloud’s doch hätten; vielleicht würden sie alle sich ermuntert fühlen durch einen jüngeren Assistenten. »Ein junger Assistenzarzt, der ganz in seiner Arbeit aufgeht und neue Ideen im Bereich der Geburtshilfe beisteuern kann«, schlug Mrs. Goodhall vor.
    »In dem Bereich komme ich gut alleine zurecht«, sagte Dr. Larch. »Und ich komme mit der Zahl der Babys zurecht, die hier geboren werden.«
    »Nun gut, aber wie wäre es mit einer neuen Verwaltungshilfe?« schlug Mrs. Goodhall vor. »Die ärztliche Praxis mag Ihnen ja ganz überlassen bleiben – ich meine jemanden mit Verständnis für gewisse neuere Adoptionsverfahren, oder einfach jemand, der die Korrespondenz und die Interviews für Sie führen könnte.«
    »Ich könnte eine neue Schreibmaschine gebrauchen«, sagte Dr. Larch. »Besorgen Sie mir nur eine neue Schreibmaschine, und behalten Sie Ihren Assistenten – oder geben Sie ihn jemandem, der wirklich tatterig ist.«
    Der neue Mann im Aufsichtsrat war ein Psychiater; er war ziemlich neu in der Psychiatrie, die damals, 194–, ziemlich neu war in Maine. Sein Name war Gingrich; selbst gegenüber Leuten, die er eben erst kennengelernt hatte, ging er immer davon aus, daß er Verständnis für den Druck hatte, unter dem sie standen – er war sich ganz sicher, daß jeder irgendwie unter Druck stand. Selbst wenn er recht hatte (in bezug auf den Druck, unter dem die Leute standen) und selbst wenn man ihm beipflichtete (daß da tatsächlich ein gewisser Druck war und daß man tatsächlich unter ihm stand), hatte er so eine gewisse Art, davon auszugehen, daß einem immer auch noch andere Drücke zu schaffen machten (die einem selbst immer unbekannt waren). Hätte er zum Beispiel den Film gesehen, der mit dem

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