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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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weiter) mit der Zeit den erwünschten Effekt zeitigen würde (»… ohne gegen die Gesetze Gottes und der Menschen zu verstoßen«, schrieb ein überzeugend kriecherischer Fuzzy Stone).
    »Der erwünschte Effekt« – darin stimmten Dr. Larch und Dr. Stone überein – wären möglichst wenig unerwünschte Kinder, die in diese Welt gesetzt würden. »Ich zumindest bin glücklich, auf der Welt zu sein!« jubilierte der junge Dr. Stone. Er klingt wie ein Missionar! dachte Wilbur Larch. Die Idee, einen Missionar aus Fuzzy zu machen, gefiel Dr. Larch aus mehreren Gründen – unter anderem weil Fuzzy keine Zulassung als praktizierender Arzt brauchen würde, wenn seine heilenden Kräfte irgendeinem fernen primitiven Land zugute kommen sollten.
    Es strengte Larch sehr an, aber er brachte alles zu Papier – eine Schreibmaschine für Fuzzy, die zu nichts anderem benutzt wurde, und die neue für ihn selbst. (Er machte Durchschläge von seinen eigenen Briefen und erwähnte seinen »Dialog« mit dem jungen Dr. Stone in verschiedenen Fragmenten, die er der Kurzen Geschichte von St. Cloud’s beifügte.)
    In seiner Vorstellung würde ihr Briefwechsel ganz plötzlich enden, wenn Dr. Larch sich weigerte, den Gedanken zu akzeptieren, daß jemand ihn ablösen könnte, der nicht bereit wäre, Abtreibungen auszuführen. »Ich werde weitermachen, bis ich umfalle«, schrieb er an Fuzzy, »und mich hier in St. Cloud’s niemals durch einen reaktionären Schwachkopf ablösen lassen, der sich mehr um die Zweifel kümmert, an denen seine zartbesaitete Seele leidet, als um die tatsächlichen Leiden unzähliger unerwünschter und mißhandelter Kinder. Ich bedaure, daß du Arzt geworden bist«, schalt er den armen Fuzzy. »Ich bedaure, daß diese Ausbildung verschwendet wurde an jemand, der sich aufgrund einer dünkelhaften Auffassung vom Ungeborenen weigert, den Lebenden zu helfen. Du bist nicht der richtige Arzt für dieses Waisenhaus und wirst den Posten nur über meine Leiche bekommen!«
    Was er danach von Dr. Stone zu lesen bekam, war eine relativ kurze, impertinente Nachricht, in der Fuzzy mitteilte, er müßte seine Seele erforschen hinsichtlich seiner persönlichen Verpflichtung gegenüber Dr. Larch und seiner »vielleicht noch größeren Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft und all den hingemordeten Ungeborenen der Zukunft«; es sei schwer, so gab Fuzzy zu verstehen, auf sein Gewissen zu hören und Dr. Larch nicht »bei den Behörden … anzuzeigen«, fügte er unheilverkündend hinzu.
    Was für eine großartige Geschichte! dachte Wilbur Larch. Sie hatte ihn den Rest dieses Augusts 194– gekostet. Er wollte die Sache gut vorbereitet und alles arrangiert haben, wenn Homer Wells von seinem Sommerjob nach St. Cloud’s zurückkehren würde.
    Wilbur Larch hatte einen Nachfolger für sich geschaffen, und zwar einen, der akzeptabel sein würde für die Behörden – wer immer das sein mochte. Er hatte jemanden mit anerkannten geburtshilflichen Kenntnissen geschaffen, der – wie sollte es anders sein – selbst eine Waise und von Geburt an mit dem Haus vertraut war. Er hatte auch eine perfekte Lüge geschaffen, weil jener Dr. F. Stone, der Wilbur Larch vorschwebte, natürlich Abtreibungen ausführen würde, während gleichzeitig – wie sollte es anders sein – von ihm bekannt wäre, daß er dagegen war, sie auszuführen. Sollte Larch in den Ruhestand treten (oder jemals erwischt werden), dann würde sein perfekter Nachfolger bereits zur Verfügung stehen. Natürlich war Larch noch nicht fertig mit Fuzzy; eine so wichtige Ablösung bedurfte wohl einiger Korrekturen.
    Wilbur Larch lag in der Apotheke. Über ihm kreisten die Sterne von Maine und die Sterne des Äthers. Er hatte Fuzzy Stone eine Rolle im Leben geschenkt, die anstrengender war, als Fuzzy selbst je hätte sein können. Wie hätte der arme Fuzzy auch nur daran denken sollen, da er dem Versagen seines Atemgeräts erlegen war?
    Bleibt bloß ein Problem, dachte Wilbur Larch, während er unter den Sternen träumte. Wie bringe ich Homer dazu, die Rolle zu spielen?
    Homer Wells, der nach den wirklichen Sternen von Maine Ausschau hielt und nach den Obstgärten, die im verblassenden Mondlicht aus Wallys Fenster sichtbar waren, sah etwas schimmern – jenseits des Obstgartens, von dem bekanntlich der Ozean sichtbar war. Homer bewegte in Wallys Fenster seinen Kopf auf und ab, und der Schimmer blitzte zu ihm herüber; das schwache Signal erinnerte ihn an den Abend, als die tiefen

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