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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Melony war; die beiden Frauen schienen im voraus dazu bestimmt, einander sympathisch zu finden.
    Als Melony den Mund aufmachte, hallte ihre Stimme durch die beinah leeren Marktbuden und überraschte Meany Hyde und Vernon Lynch, die gerade Wasser in den Kühler des John Deere füllten. Wenn Melony normal zu sprechen versuchte, war ihre Stimme besonders tief; wenn sie ihre Stimme zu heben versuchte, glaubten die meisten, sie brülle.
    »Arbeitet hier ein Kerl namens Homer Wells?« fragte Melony die dicke Dot.
    »Klar tut er das«, sagte Big Dot fröhlich. »Bist du eine Freundin von Homer?«
    »War ich mal«, sagte Melony. »Ich habe ihn ein Weilchen nicht gesehen«, fügte sie bescheiden hinzu – wenigstens bescheiden für Melony, die seit ihrer Liebesaffäre mit Lorna manchmal verlegen und schüchtern wurde bei anderen Frauen; ihr Selbstvertrauen gegenüber Männern war so unerschütterlich wie eh und je.
    »Wo ist Homer?« fragte Florence Hyde Meany. Er starrte Melony an.
    »Er stellt Kisten auf in der Frying-Pan«, sagte Meany Hyde. Irgend etwas ließ ihn schaudern.
    »Willst du hier bloß vorbeischauen?« fragte Big Dot Melony, deren Finger – wie Dot bemerkte – sich instinktiv öffneten und schlossen, sich zu Fäusten ballten und sich wieder entspannten.
    »Eigentlich bin ich wegen Arbeit gekommen«, sagte Melony. »Ich habe schon ’ne Menge gepflückt.«
    »Homer heuert die Pflücker an«, sagte Big Dot. »Ich schätze, du wirst Glück haben – wo ihr alte Freunde seid.«
    »Es ist zu früh, um Pflücker anzuheuern«, sagte Vernon Lynch. Irgend etwas in der Art, wie Melony ihn anschaute, ließ ihn nicht auf diesem Punkt beharren.
    »Fahr doch und sag Homer, daß jemand da ist und ihn sehen will«, sagte Big Dot zu Vernon. »Homer ist der Boss.«
    »Der Boss?« fragte Melony.
    Irene Titcomb kicherte und wandte ihre Brandnarbe ab. »Es ist eigentlich eine Art Geheimnis – wer hier der Boss ist«, sagte Irene.
    Vernon Lynch trat im Traktor so hart aufs Gas, daß ein öliger schwarzer Qualm aus dem Auspuffrohr bellte und über die Frauen im Markt wehte.
    »Wenn du hier arbeiten wirst«, sagte Big Dot zu Melony, »kannst du’s auch gleich wissen: Der Kerl, der den Traktor fährt, ist das Arschloch Nummer Eins.«
    Melony zuckte die Schultern. »Gibt’s hier nur eines?« fragte sie, und Big Dot lachte.
    »Oh, meine Kuchen!« sagte Irene Titcomb und rannte weg. Florence Hyde musterte Melony freundlich, und Big Dot legte Melony ihre fleischige Pranke auf die Schulter, als wären sie dicke Freundinnen. Irene Titcomb kam zu ihnen zurückgerannt und verkündete, die Kuchen seien gerettet.
    »Erzähle uns doch: Woher kennst du Homer Wells?« sagte Florence Hyde zu Melony.
    »Von wo und seit wann?« fragte die dicke Dot Taft.
    »Von Saint Cloud’s, seit ewig«, erzählte ihnen Melony. »Er war mein Kerl«, erzählte sie den Frauen, und ihre lächelnden Lippen zeigten den Schaden, den ihre Zähne genommen hatten.
    »Was du nicht sagst!« sagte Big Dot Taft. 
     
    Homer Wells und sein Sohn Angel redeten über Masturbation – oder vielmehr, Homer redete. Sie hatten unter einem der alten Bäume in der Frying-Pan Mittagspause gemacht; sie hatten den ganzen Morgen Kisten aufgestellt und sich beim Traktorfahren und Kistenausladen abgewechselt. Sie hatten ihre Sandwiches aufgegessen, und Angel hatte seine Limonade geschüttelt und seinen Vater damit bespritzt, und Homer hatte versucht, möglichst zwanglos das Thema Masturbation anzuschneiden. Candy hatte Homer gegenüber erwähnt, daß Angels Bettlaken gewisse Spuren aufwies und daß es wohl an der Zeit wäre für ein Vater-Sohn-Gespräch bezüglich Angels offenkundig erwachender Sexualität.
    »Junge, als ich in deinem Alter war – in St. Cloud’s –, war es tatsächlich schwer, sich einigermaßen ungestört einen runterzuholen«, hatte Homer angefangen (zwanglos, wie er dachte).
    Sie hatten auf dem Rücken im hohen Gras gelegen, unter dem vollsten Baum in der Frying-Pan – durch die saftigen, herabgebogenen Zweige und all die schweren Äpfel drang kein Sonnenstrahl hindurch.
    »Tatsächlich«, sagte Angel nach einer Weile gleichgültig.
    »Ja, hm«, sagte Homer. »Weißt du – ich war der Älteste – etwa in deinem Alter –, und ich war angeblich mehr oder minder verantwortlich für all die anderen Kinder. Ich wußte, daß sie noch viel zu klein waren, um Schamhaar zu haben, und mit ihrem kleinen Steifen überhaupt nichts anfangen konnten.«
    Angel lachte. Homer

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