Gottes Zorn (German Edition)
hatte. Osama Al-Din hieß er. Den Angaben der Ausländerbehörde zufolge 1982 in Bagdad geboren. Doch keiner wusste, ob das stimmte. Er war vor sieben Jahren nach Schweden gekommen, wo ihm Asyl bewilligt wurde. Hatte den obligatorischen Schwedischunterricht absolviert und Gelegenheitsjobs als Lagerarbeiter angenommen, jedoch nie eine feste Anstellung gehabt. Hatte Kurse am Komvux, dem kommunalen Institut für Erwachsenenbildung, belegt, wo er bei Diskussionen einen religiösen Eifer bewiesen hatte, den ein Lehrer als «bedenklich» einstufte und dies der Polizei meldete. In seiner Akte hatte Fatima gelesen, dass er oftmals Reisen nach Kopenhagen und Hamburg unternommen hatte, wo er in der «radikalen Szene» gesehen wurde.
«Sie sehen ziemlich müde aus, Osama», wiederholte sie. «Wäre es nicht angenehm, sich ausruhen zu können?»
Schweigen.
«Bevor Sie sich ausruhen dürfen, müssen Sie allerdings mit mir reden.»
Die einzige Reaktion, die sie ausmachen konnte, war ein leichtes Zittern seiner schmalen Finger. Seine Fingernägel waren sehr gepflegt, fast so wie bei einer Frau.
«Ich heiße Fatima, und ich habe die Aufgabe, Sie zu vernehmen. Wie Sie hören, spreche ich Arabisch. Ich bin im Libanon geboren. Kennen Sie Beirut? In einem der südlichen Vororte, in Haret Hreik, habe ich als Kind gewohnt.»
Plötzlich durchzuckte es ihn, als wache er aus einem Albtraum auf. Er starrte sie zornig an.
«Sie müssten doch wissen, dass Gott keinen Sohn hat!», zischte er, sodass ihm der Speichel aus dem Mund spritzte.
Fatima nickte nachdenklich und versuchte äußerlich ruhig zu bleiben, obwohl sein Ausbruch ihr Herz schneller schlagen ließ.
«Ich weiß, Osama. Aber die Christen glauben an ihn …»
Sie hatte sich lange überlegt, welche Kleidung sie tragen sollte. Am Morgen hatte sie sich eine weite Hose und einen schlabbrigen Pulli gekauft. Sie hatte die Quittung aufgehoben. Die Sachen dürften doch wohl als Arbeitskleidung zählen? Erst hatte sie erwogen, auch noch ein leichtes Kopftuch zu tragen, kam jedoch zu dem Schluss, dass es zu überzogen gewirkt hätte. Sie hatte lange im Hotelzimmer vorm Spiegel gestanden. Mit winterlich blassem Gesicht ohne Mascara und Lippenstift.
Der junge Mann war auf seinem Stuhl wieder zusammengesunken. Seine Augen hatte er zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen. Fatima ahnte, dass er sie heimlich beobachtete.
«Woher kommen Sie, Schwester?», murmelte er kaum hörbar.
«Das habe ich Ihnen gerade erzählt.»
Er schüttelte langsam den Kopf.
«Sie verstehen mich nicht. Wer hat Sie geschickt? Was wollen Sie?»
«Ich bin Polizistin, wenn es das ist, was Sie meinen …»
Sie schaute ihn zögernd an. Wie viel von sich selbst sollte sie preisgeben? Fatima beschloss, auf Schwedisch weiterzusprechen.
«Normalerweise arbeite ich als Kriminalpolizistin in Ystad …»
«Sie sind nicht von der Säpo?», fragte er in derselben Sprache.
Jetzt schaute er sie direkt an.
«Nein.»
«Sind Sie Muslimin?»
Fatima zögerte etwas zu lange, bevor sie antwortete.
«Ja, ich bin Muslimin», sagte sie.
«Beten Sie regelmäßig?»
«Ja, auf meine Weise.»
«Sie tragen denselben Namen, den der Prophet seiner Tochter gab.»
«Ja …»
Er betrachtete sie eine Weile lang, als überlegte er, ob er sich Sorgen machen müsste. Dann senkte er erneut den Blick.
«Sie sollten Ihren Körper besser bedecken.»
«Osama, ich möchte, dass Sie mir etwas sagen», forderte Fatima ihn auf. «Wenn Sie eine Chance erhalten wollen, hier rauszukommen, müssen Sie reden. Und ich bin die beste Chance, die Sie bekommen werden.»
«Ich habe alles gesagt, was es zu sagen gibt. Da gibt es nicht mehr. Ich bin froh, dass das Schwein abgeschlachtet worden ist.»
«Sie haben uns nicht das Geringste erzählt, Osama. So habe ich es zumindest gehört. Sie sitzen jetzt bald zwei Tage und Nächte hier und haben kein Wort gesagt. Weder auf Schwedisch noch auf Arabisch. Die Polizisten haben Ihnen eine ganz simple Frage gestellt: Wo befanden Sie sich in der Nacht auf den zwölften Februar? Die Nacht, in der Mårten Lindgren ermordet wurde. Wenn Sie nicht antworten, machen Sie es sich selbst nur noch schwerer.»
Ohne Vorwarnung zerrten seine Hände an den Handschellen, und sie sah, wie das Metall die Haut an seinen Handgelenken aufriss.
«Woher nehmen Sie das Recht, mir zu sagen, was gut für mich ist, Schwester?», zischte er voller unterdrücktem Zorn.
«Ich versuche nur, Ihnen zu helfen, Osama.»
«Versuchen Sie
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