Gottes Zorn (German Edition)
in Kellermoscheen. Viele von ihnen haben übrigens eine ähnlich negative Einstellung zu diesen militanten Burschen wie wir.» Er warf einen raschen Blick auf seine Uhr. «Wie Sie verstehen, Fatima, ist hier eine sehr einfühlsame Arbeitsweise erforderlich. Insbesondere deswegen, weil es nicht gerade von Polizisten wimmelt, die ihre Wurzeln in diesem Umfeld haben. Kurzum, wir besitzen nicht genügend Connections.»
Hoffentlich kommt er bald zum Punkt, dachte Fatima.
Lundström faltete die Hände hinter dem Nacken und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück.
«Wenn man all das in Betracht zieht …»
«Worin soll Ihrer Auffassung nach eigentlich meine Arbeit bestehen?», unterbrach ihn Fatima.
Der Säpomann lächelte väterlich angesichts ihrer Ungeduld.
«Ich muss zugeben, dass es mich beeindruckt hat, dass Sie diese Website im Netz gefunden haben. Wir wissen zwar noch nicht, was das genau zu bedeuten hat. Die Pulsader zwischen unseren Feinden. Aber es kann durchaus von Bedeutung sein. Unsere Analytiker in Stockholm haben zwar behauptet, dass sie diese Drohung bereits kannten, aber ich bezweifle … ach, ist ja auch egal.»
Aus dem Korridor waren Schritte und Stimmen zu hören. Jemand lachte lauthals, dann entfernten sich die Geräusche.
«Wir haben uns natürlich vergewissert, dass Sie zuverlässig sind», sagte Bill Lundström. «Dabei handelt es sich um eine reine Routinekontrolle. Sie sind doch Muslimin, nicht wahr? Aus einer schiitischen Familie aus dem Libanon, wenn ich richtig unterrichtet bin. Und Sie beherrschen die Sprache.»
«Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet», sagte Fatima.
Eine ganze Weile lang saß Lundström schweigend da und betrachtete sie mit ausdrucksloser Miene.
«Wir haben unten einen jungen Mann in Untersuchungshaft», erklärte er schließlich. «Einen hartnäckigen Teufel. Wir wollen, dass Sie mit ihm sprechen.»
Kapitel 11
D er inhaftierte Mann hatte tiefdunkle Schatten unter den Augen. Als sie den Raum betrat, hob er kaum merklich den Kopf, bevor sein Kinn wieder hinunter auf die Brust sank. In seinem Mundwinkel zuckte es leicht.
Sie lassen ihn nicht schlafen, dachte Fatima. Aber er braucht dringend Schlaf.
Sie schielte in Richtung der dunklen Glasscheibe. Sie konnte sie zwar nicht sehen, aber sie wusste, dass sie sie beobachteten. Bis gerade eben hatte sie selbst dahintergesessen und gesehen, wie der Verhaftete einen Wutanfall bekam. Drei Beamte hatten ihn überwältigen müssen. «Verdammt, man müsste ihn an die Amerikaner ausliefern!», hatte einer der verschwitzten Polizeibeamten ausgerufen, als er aus dem Vernehmungsraum kam. Er hatte gekeucht und sich eine Papierserviette auf eine Kratzwunde an der Wange gedrückt. «Den Idioten zum Schein ertränken, damit er redet.» Bill Lundström hatte verdrossen dreingeschaut und dem Beamten befohlen, nach Hause zu fahren und sich auszuschlafen.
Jetzt saß der junge Mann in seinem Kaftan ermattet und mit Handschellen gefesselt da.
Jesus, dachte Fatima.
In ihrem Kopf war wie aus dem Nichts ein Bild von früher aufgetaucht. Das Porträt eines Mannes, in gedeckten Farben gemalt. Ein Lehrer in der Rosengårdsschule hatte es in der Osterzeit in ihrer Klasse gezeigt und mit ihnen darüber gesprochen. Es stellt Gottes Sohn dar, hatte er erklärt. Das Leiden in seinem Gesicht hatte sie ergriffen gemacht. Fatima konnte sich noch daran erinnern, dass sie gemeint hatte, in den Augen Jesu den Wunsch zu erkennen, sterben zu dürfen. Der Mann auf dem Stuhl vor ihr hatte kurzgeschnittene Haare und einen gestutzten Kinnbart, wenngleich auf seinen Wangen schwarze Stoppeln nachwuchsen. Doch es war sein Blick, der am auffälligsten war. Der gequälte Gesichtsausdruck. Seine eine Schläfe war blau angelaufen und geschwollen. Über der Augenbraue klebte ein Pflaster. Woher er die Verletzungen wohl hat?, fragte Fatima sich.
«Salaam aleikum», begrüßte sie ihn.
Sie erhielt keine Reaktion.
«Sie erinnern mich an Isa», sagte sie noch immer auf Arabisch. «Der Prophet, von dem man annimmt, dass er Gottes Sohn war.»
Er schnaubte auf, ohne sich zu bewegen.
«Sie sind müde …?»
Sie setzte sich langsam auf einen Stuhl ihm gegenüber. Faltete die Hände auf dem Tisch. Vergewisserte sich, dass das Lämpchen am Aufnahmegerät leuchtete.
Sie hatten ihr alles erzählt, was sie über ihn wussten. Es war erstaunlich wenig, obwohl die Polizei ein ganzes Jahr lang immer wieder sowohl seine Telefonate abgehört als auch ihn beschattet
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