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Gottes Zorn (German Edition)

Gottes Zorn (German Edition)

Titel: Gottes Zorn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olle Lönnaeus
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das wirklich?»
    Fatima stand von ihrem Stuhl auf und ging im Vernehmungsraum ein paar Schritte auf und ab. Sollte sie das Ganze abbrechen? Sie schaute in Richtung des Venezianischen Spiegels und rief sich Bill Lundströms Anweisungen in Erinnerung. «Überstürzen Sie nichts», hatte er ihr geraten. «Wir müssen zugeben, dass wir bei diesem Kerl bisher auf Granit beißen. Er ist zwar des Mordes verdächtigt, und die Staatsanwältin hat ihn vorläufig festnehmen lassen, auch wenn sie die Beweislage für etwas dünn hält. Aber das Einzige, was wir haben, ist der Mitschnitt eines Telefonats von vor ein paar Wochen. Osama hat einen Freund angerufen und ihm gegenüber herumgetönt, dass Mårten Lindgren hingerichtet werden müsse. Aufgrund dessen konnten wir ihn festnehmen und verhaften. Aber es gibt bestimmt noch eine Menge anderer Verrückter, die davon gefaselt haben, Mårten Lindgren umzubringen. Wir brauchen einfach mehr. Spätestens morgen muss die Staatsanwältin Anklage gegen ihn erheben oder ihn gehen lassen.»
    Während sie im angrenzenden Raum standen, hatte Bill Lundström auf den einsamen Häftling unter der grellen Neonröhre gedeutet. Die Frustration war ihm deutlich anzumerken.
    «Ein zäher Teufel da drinnen. Er will weder einen Verteidiger, noch sagt er etwas, obwohl wir wissen, dass er ausgezeichnet Schwedisch spricht. Gibt lediglich ’ne Menge Unsinn von sich. Wir müssen etwas Neues ausprobieren. Und das Neue, das sind Sie, Fatima. Versuchen Sie sein Vertrauen zu gewinnen. Geben Sie ihm das Gefühl, dass er Ihnen wichtig ist. Gehen Sie es langsam an. Lieber viele kleine Schritte als ein großer, bei dem er sich unter Druck gesetzt fühlt. Und wenn Sie einen Fehler machen, ist es besser, einen Schritt zurückzutreten und noch einmal neu zu beginnen.»
    Doch im nächsten Atemzug hatte er gemurmelt: «Das Blöde ist nur, dass wir nicht alle Zeit der Welt haben. Denn diese Drohung beunruhigt mich.»
    Als von den Männern, die im Raum hinter dem Venezianischen Spiegel zuhörten, keinerlei Signal kam, setzte Fatima sich wieder. Osamas wachsame Augen hatten jeden ihrer Schritte verfolgt. Es kam ihr vor, als ob die kahlen Wände sie zwangen, dichter zueinander zu rücken. Er schwitzte, und sie konnte seinen Schweiß riechen. Ließen sie ihn denn nicht duschen? Sie schob ihren Stuhl ein wenig vom Tisch weg.
    «Wie spät ist es?», fragte er.
    «Warum fragen Sie?»
    «Weil ich es wissen will.»
    Fatima schaute auf ihr Handy. Es kann ja nicht schaden, dachte sie.
    «Viertel nach drei. Haben Sie noch einen Termin?»
    Für einen kurzen Augenblick meinte sie ein Zucken in seinem Mundwinkel zu erahnen. Doch sie konnte nicht ausmachen, ob er vorhatte zu lachen oder ob sich ein weiterer Wutausbruch ankündigte. Kurz darauf hatten sich seine Gesichtszüge wieder geglättet.
    Er ist hübsch, dachte Fatima. Er ist hübsch, und das macht ihn gefährlich.
    «Sie kommen also aus Bagdad. Erzählen Sie mir etwas von der Stadt, in der Sie geboren sind.»
    «Bin ich das?»
    «So steht es jedenfalls in Ihren Papieren. Als Sie Asyl beantragt haben, gaben Sie an, aus Bagdad zu kommen. Erzählen Sie mir von der Stadt, denn ich bin nie dort gewesen.»
    «Ich auch nicht.»
    Plötzlich lächelte er triumphierend, als hätte er zumindest einen bescheidenen Punkt gemacht.
    «Sie haben also gelogen?»
    «Kann sein … Oder aber ich lüge Sie jetzt an?»
    «Ein guter Muslim sollte aber nicht lügen, nicht wahr?»
    Sein Lächeln erlosch. Fatima meinte, eine leichte Unsicherheit über sein Gesicht huschen zu sehen. Ein erster Riss in der Fassade.
    «Mein Vater war Lehrer», sagte sie. «Er hat mir beigebracht, dass Lügen haram ist. Also für einen guten Muslim verboten.»
    «Die Ungläubigen darf man aber anlügen. Das ist nicht haram. So sagt es der Prophet.»
    «Sagt er das? Können Sie mir zeigen, wo im Koran es steht?»
    Osama wandte sich ab. «Ich brauche Ihnen gar nichts zu zeigen.»
    «Sie können es nicht?»
    «Ich will es nicht!» Er schüttelte heftig den Kopf. «Gehen Sie weg! Sie bringen mich nur durcheinander!»
    Fatima beugte sich vor und zwang ihn, sie anzusehen.
    «Ich gehöre nicht zu den Ungläubigen», fuhr sie unbarmherzig fort. «Sind Sie es mir nicht schuldig, die Wahrheit zu sagen?»
    Osama starrte sie wütend an. Dann sah sie, wie seine Augen feucht wurden und kleine rote Blutgefäße darin hervortraten. Er wand sich heftig in dem Versuch, sich mit der Schulter übers Gesicht zu wischen, erreichte es aber

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