Gottes Zorn (German Edition)
Schimmer an Güte in all der Finsternis.
Während er so dastand und die schmatzenden, winselnden und knurrenden Kampfhunde beobachtete, stand es ihm plötzlich klar vor Augen: Mein ganzes Leben lang hatte ich Angst vor meinen eigenen Genen. Aber ich werde nie von ihnen loskommen!
«Was wollen Sie von Goran?»
«Was?»
«Sie sehen nicht gerade wie ein Bulle aus …» Sie musterte ihn von oben bis unten. «Sind Sie von der Gemeinde?», fragte sie mit zweifelnder Stimme. «Normalerweise schicken Sie doch vorher immer einen Brief, oder?»
«Nein, nichts dergleichen. Ich wollte nur …»
«Still!», unterbrach sie ihn barsch.
In ihrem Gesicht machte sich ein ängstlicher Ausdruck breit. Sie lauschten beide dem Motorengeräusch, das sich näherte.
«Er kommt», sagte sie mit leiser Stimme.
«Goran?»
Sie nickte und sah aus, als hätte sie gerade ein Unwetter vorhergesagt.
Im nächsten Augenblick schlitterte ein Toyota-Jeep auf den Hof, dass der Schnee nur so spritzte. Für den Bruchteil einer Sekunde steuerte er geradewegs auf sie zu. Doch bevor es Joel gelang, sich auch nur nach einem Ort umzusehen, an dem er Schutz hätte suchen können, schleuderte der Jeep herum und hielt abrupt an. Als die Wagentür aufgestoßen wurde, verstummten die Hunde. Eine Schar Krähen hob in einer kreischenden Wolke von den Bäumen ab und verschwand hinter dem Hausdach.
Die weißhaarige Frau ging plötzlich ein wenig auf Abstand zu Joel. Sie schaute ihren Mann wie verwandelt an. Total verängstigt, wie die Hunde auch.
«Er kam eben erst», beteuerte sie. «Ich weiß nicht mal, wie er heißt.»
Goran Djelic machte ein paar Schritte auf sie zu, blieb dann stehen und wandte sich Joel zu. Er war groß, nahezu zwei Meter, und trug lediglich einen dünnen Pulli über seinem muskulösen Oberkörper. Sein Schädel war kahlrasiert und uneben, und in seinem Nacken konnte Joel eine graublaue Tätowierung erkennen. Seine Gesichtszüge waren scharf wie die eines Comichelden. Eine ganze Weile stand er mit herabhängenden Armen und geballten Fäusten vollkommen reglos da und starrte ihn misstrauisch an, als wäre er der Überzeugung, dass irgendetwas faul war, er jedoch nicht darauf kam, was es war. Er ist eine Kämpfernatur, dachte Joel. Bereit dazu, sich um das zu prügeln, was ihm gehört.
In einem entwaffnenden Versuch streckte Joel ihm die Hand entgegen. «Hallo, ich heiße Joel Lindgren. Und Sie müssen Goran sein, nicht wahr?»
Doch die freundliche Begrüßung hatte keinen positiven Effekt, im Gegenteil. Ohne ein Wort drehte sich der großgewachsene Mann wieder zu seinem Jeep um. Er riss die Fahrertür auf, schob seine Hand unter den Beifahrersitz und zog einen großen silbrig glänzenden Revolver hervor. Noch bevor Joel reagieren konnte, war Goran herumgeschossen und hatte ihm den Lauf gegen den Mund gedrückt.
«Mund auf!», fauchte er.
Joel gehorchte. Der Geschmack nach kaltem Stahl und Waffenfett bewirkte, dass sich ihm der Magen umdrehte. Er verspürte den Drang, alles, was sich in seinen Gedärmen befand, auszuscheißen. Goran spannte mit einem unheilvollen Klicken den Hahn.
«Ich weiß, wer Sie sind», sagte er leise mit unmissverständlich slawischem Akzent.
Er fuchtelte mit dem Revolver herum, sodass der Lauf gegen Joels Zähne schlug. Einen Augenblick lang sah es aus, als hätte er vor abzudrücken. Joel schloss die Augen. Erstaunlicherweise schoss ihm trotz seiner Angst der Gedanke durch den Kopf, dass all dies völlig absurd war.
Mein Gott, ich sterbe wie in einem drittklassigen Actionstreifen!
Joel kniff die Augen noch fester zusammen und zählte die Sekunden.
Eins, zwei, drei, vier, fünf …
Als nichts geschah, öffnete er die Augen wieder. Zuerst das eine. Und dann das andere.
Er schielte am Lauf des Revolvers entlang und sah, dass Gorans behaarter Zeigefinger noch immer um den Abzug gelegt war. Dahinter konnte er schemenhaft ein eiskaltes graues Augenpaar erkennen.
«Geben Sie mir einen Grund, warum ich Ihnen nicht das Hirn aus dem Schädel blasen sollte.»
Joel hatte etwas wie «Immer mit der Ruhe, ich wollte ja nur mit Ihnen reden» antworten wollen. Aber mit dem Mund voller Stahl gelang es ihm lediglich, irgendetwas Undeutliches vor sich hin zu nuscheln, während ihm der Speichel am Kinn hinunterlief.
«Ihr Vater hat meinen Bruder getötet. Kapieren Sie?»
Joel schüttelte vorsichtig den Kopf, hielt jedoch inne, als er merkte, dass die Bewegung lediglich das Risiko erhöhte, dass der gekrümmte
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