Gottes Zorn (German Edition)
eigentlich mitten beim Frühstück war. Fatima wartete ungeduldig darauf, dass sie schlucken würde.
«Knäckebrot?»
«Mm, hatte nichts anderes zu Hause.»
«Aber was willst du mir eigentlich sagen, Eva?»
«Nur, dass es noch mehr Motive für den Mord an Mårten Lindgren geben könnte. Es kann ja sein, dass sich jemand an ihm gerächt hat.»
«Und wer?»
«Tja, beispielsweise Dragans Bruder. Goran Djelic, ein echt unangenehmer Typ, züchtet Kampfhunde in Lövestad. Er war übrigens auch davon überzeugt, dass Mårten seinen Bruder ertränkt hat.»
In der Leitung rauschte es. Dann klang es, als hätte sie es sich anders überlegt und würde ihre Aussage halbwegs wieder zurücknehmen. Fatima hörte, wie Eva Ström unsicher auflachte, in einer Weise, die für sie völlig untypisch war.
«Na ja, das ist ja jetzt Sache der Säpo. Aber man kann schließlich nie wissen, vielleicht hat es irgendeine Bedeutung.»
Als Fatima das Gespräch beendete, hatte sie sich bereits entschieden. Sie würde Bill Lundström bitten, die Vernehmungen mit Osama zu unterbrechen und noch einmal zum heruntergekommenen Eternithaus draußen auf dem Land zurückkehren.
Sein Sohn, dachte Fatima und sah ihn vor sich. Man kann ihm doch bestimmt noch mehr Fragen stellen.
Kapitel 18
D ie Chormitglieder hatten ihre Mützen und Mäntel anbehalten und sich vor dem Altar wie eine Schar Pinguine zusammengedrängt. Man konnte ihren dampfenden Atem sehen, als sie «Hosanna dem Sohne Davids» sangen und das Kirchenlied durch das Kirchenschiff hallte. Der halbnackte, leidende Heiland schien an seinem Kreuz zu frösteln.
Sachte ließ Joel die Tür hinter sich zugleiten.
«Die Heizung ist eingefroren», flüsterte ihm der Küster zu. «Sie brauchen Ihre Mütze nicht abzunehmen.»
Helga stand mitten im Chor, Erik schräg hinter ihr. Sie trug eine Kopfbedeckung aus rotbraunem Pelz. Ihre Wangen hatten rote Flecken, und ihre Augen leuchteten. Als sie Joel erblickte, strahlte sie noch etwas mehr. Sie winkte ihm diskret zu.
Er setzte sich auf eine Holzbank unmittelbar neben einen siebenarmigen Leuchter, der auf dem Fußboden stand und dessen Kerzen brannten. Um ihn herum roch es nach feuchtem Mörtel und Stearin.
Es war bereits neunzehn Uhr, sie waren offenbar spät dran. Er sah sich in der Kirche um. Erinnerte sich daran, dass er als kleiner Junge den einen oder anderen Gottesdienst besucht hatte, bevor er beschloss, auf die Konfirmation zu verzichten. Mårten war es damals egal gewesen. Joel blätterte zerstreut in einem Gesangbuch, das liegen geblieben war. Die Wandmalereien kamen ihm ein wenig verwittert vor. In die Bank vor ihm hatte jemand ein kleines Herz eingeritzt.
Während er dasaß und wartete, fiel ihm auf, wie ähnlich sich die beiden waren. Erik schien die plumpen Gesichtszüge seiner Mutter geerbt zu haben, die unförmige Kartoffelnase sowie die Blässe und das glatte helle Haar. Er war ein großgewachsener Mann und überragte die anderen Männer in der hinteren Chorreihe um einen halben Kopf. Hin und wieder warf er seiner Mutter einen zärtlichen Blick zu.
Als die letzte Strophe verklungen war, sah Joel, wie Helga lachend einige Worte mit den anderen wechselte und dann gemeinsam mit einer pummeligen Frau auf ihn zukam, die die Chorstunde geleitet hatte. Erst als die Chorleiterin ihm die Hand entgegenstreckte, sah er, dass sie ein Beffchen unter ihrem dicken Pelzmantel trug.
«Schön, dass Sie kommen konnten, Joel», begrüßte sie ihn. «Ich heiße Ulla Björk. Mein Beileid. Wir sind alle schockiert. Wirklich. Helga hat mir erzählt, dass Sie gerne über die Beerdigung Ihres Vaters sprechen möchten.»
«Tja, es muss ja erledigt werden», seufzte er.
Die Pastorin schaute ihn irritiert an. Joel merkte, dass er gleichgültiger geklungen hatte als beabsichtigt.
«Alle müssen schließlich begraben werden. Auf die eine oder andere Art und Weise. Das wollte ich damit sagen», entschuldigte er sich.
«Ich finde, dass es allen Grund dazu gibt, eine schöne Gedenkfeier abzuhalten», entgegnete Ulla Björk entschieden.
«Ja, natürlich …»
Sie bedachte ihn mit einem strengen Blick. «Wir in der Gemeinde sind so froh, dass es Mårten mit Helgas Hilfe gelungen ist, das Licht zu erblicken. Wir vermissen ihn sehr.»
Langsam geht mir dieses verdammte Licht auf den Geist, dachte Joel. Klugerweise beschloss er zu schweigen.
«Kommen Sie, wir unterhalten uns in der Sakristei», sagte die Pastorin etwas versöhnlicher. «Dort steht ein
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