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Gottes Zorn (German Edition)

Gottes Zorn (German Edition)

Titel: Gottes Zorn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olle Lönnaeus
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unglückliche Ehe hinter sich hatte, nahm sie ihn unverfroren in Augenschein. Charmante Augen, weiche Lippen und glänzendes, nach hinten gekämmtes Haar, das sich im Nacken kräuselte.
    Er wird schon taugen, dachte sie.
    «Ich versuche mindestens zwei Marathons im Jahr zu laufen.»
    «Oh, da musst du aber ziemlich gut trainiert sein.»
    «In diesem Jahr laufe ich in Berlin und London.»
    «Cool!»
    Als sie ihm eine Weile lang bei der näheren Beschreibung seiner Plattensammlung mit Fünfzigerjahre-Jazz zugehört hatte, spürte sie, wie sich seine Hand um ihre Taille legte und dann bis zur Hüfte hinunterglitt. Sie ließ ihn gewähren.
    Denk nicht so viel nach, ermahnte sie sich im Stillen.
    Als er ihr, ohne seine Auslegungen zu unterbrechen, den dritten Drink bestellte, legte sie prüfend eine Hand auf seinen Oberschenkel. Sie spürte, wie er mitten in einem Satz über Dizzy Gillespie zusammenzuckte und schwer zu atmen begann. Als er sich eine Weile später zu ihr vorbeugte und sie küsste, schloss sie die Augen und öffnete die Lippen. Seine Zunge schmeckte nach Pfefferminzpastillen.
    «Stellen Sie die Rechnung auf mein Zimmer aus», bedeutete er dem Barmann mit belegter Stimme und nahm dann ihre Hand.
    Sie stolperte gemeinsam mit ihm zum Aufzug. Die Neonröhre flackerte. Er schob mit ungelenken Fingern seine Karte in den Schlitz und drückte auf den Knopf zum vierten Stock. Dann umfasste er ihren Nacken und presste seinen Körper gegen den ihren. Fatima schob ihre Hand unter sein Jackett und spürte, dass die Rückenpartie seines Hemdes schweißnass war. In den Spiegeln konnte sie sich selbst und ihren Flirt in unendlich vielen Kopien sehen.
    Als die Aufzugklingel ertönte, torkelten sie im vierten Stock heraus. Mit dem Rücken zur Tür ihres Hotelzimmers wurde Fatima plötzlich klar, dass es unmöglich war.
    «Nein, ich glaube, wir lassen das Ganze lieber!»
    «Was!?» Mit einem Mal sah er wie ein enttäuschter Schuljunge aus. «Aber ich hab gedacht …»
    «Ist mir egal, was du gedacht hast. Wir lassen es!»
    Beide atmeten schwer.
    «Aber Fatima, ich weiß genau, was du jetzt brauchst …»
    Plötzlich wurde sie von Ekel erfasst. Seine aufdringliche Stimme, sein süßliches Herrenparfüm und seine lächerliche Kotelettenfrisur. Als er erneut versuchte, sie zu berühren, brach sich in ihr eine Wut Bahn, von der sie kurz zuvor nicht einmal geahnt hatte, dass sie überhaupt existierte. Ohne nachzudenken, rammte sie ihm mit voller Kraft ihr Knie in den Unterleib. Mit einem Stöhnen sank er zu Boden. Blitzschnell öffnete sie ihre Tür und glitt ins Zimmer, knallte sie hinter sich zu und schob die Sicherheitskette vor. Dann blieb sie still stehen und horchte.
    Alles war ruhig. Erst nach einer Weile hörte sie ein jammervolles Wimmern und Schritte, die sich im Korridor entfernten. Fatima streifte sich die Schuhe ab und ließ sich der Länge nach aufs Bett fallen.
    ***
    T ick-tack. Tick-tack.
Fatima hört die Uhr ticken. Achtunddreißig Jahre. Tick-tack. Ihre eigene innere Uhr.
    Inzwischen ist es zwölf Jahre her, seit sie Hassan verlassen hat.
    Tick-tack.
    Zwölf Jahre, seit sie abgetrieben hat.
    Sie wusste, dass er sich riesig freute. Als sie ihm erzählte, dass sie schwanger war, stürzte er hinunter zur Konditorei an der Ecke und kehrte mit einer großen Sahnetorte zurück. Ihm zuliebe aß sie ein paar Gabeln voll. Die sie danach auf der Toilette wieder erbrach.
    «Ab jetzt bleibst du zu Hause und ruhst dich aus. Ich kümmere mich um dich. Und das Kind. Und alles wird anders.»
    Hassan hatte gerade seine erste Stelle als Ingenieur angetreten.
    Es dauerte drei Wochen, bis Fatima sich traute, ihm zu erzählen, dass sie auch noch einen anderen Bescheid erhalten hatte: die Aufnahme an der Polizeihochschule.
    Das, wovon sie geträumt hatte, seit sie ein kleines Mädchen war.
    Hassan hatte sie mit großen Augen angeschaut. Den Brief durchgelesen, als käme er einem Todesurteil gleich.
    «Aber das geht nicht …», wandte er ein und schaute hilflos drein.
    Es kam ihr vor, als wäre jeglicher Sauerstoff aus der Wohnung entwichen. Hassans Fürsorglichkeit erstickte sie. Plötzlich behandelte er sie, als wäre sie aus Glas.
    Auf den Tag genau einen Monat nach dem Bescheid ließ sie es wegmachen. Es ging schnell. Tat auch nicht besonders weh. Doch als sie zu Hassan zurück in die Wohnung kam, fühlte es sich an, als hätte sie eine glühende Eisenkugel im Bauch, und er sah es sofort.
    «Fatima, was hast du getan?» Er, der

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