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Gottes Zorn (German Edition)

Gottes Zorn (German Edition)

Titel: Gottes Zorn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olle Lönnaeus
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hineinwarf und seinen geraden Nacken erblickte, wurde sie von Zärtlichkeit erfüllt. Sein Haar war ordentlich gekämmt und gescheitelt. Und irgendjemand hatte dafür gesorgt, dass er bereits seine Krawatte trug.
    Eine Weile lang blieb sie stehen und betrachtete ihn von schräg hinten. Als sie noch klein war, hatte er immer gesagt, dass sie einander ziemlich ähnlich sähen. «Du und ich, Fatima. Wir sind aus demselben Holz geschnitzt.» Sein schwarzes volles Haar, auf das er so stolz war. Die markanten Wangenknochen. Die fülligen Lippen. Die etwas zu groß geratene Nase. Seine dunkelbraunen Augen hatten früher geleuchtet und eine Glut ausgestrahlt, die sie bewundert hatte. Aber jetzt waren sie eher wässrig und blickten verwirrt drein.
    Aus irgendeinem Grund musste er gespürt haben, dass sie da war.
    «Bist du es, Fatima?», fragte er, ohne den Kopf zu drehen.
    Sie ging neben dem Rollstuhl in die Hocke, legte ihm einen Arm um den Hals und küsste ihn auf die Wange.
    «Hast du etwa Augen im Hinterkopf, Papa?»
    Doch in seinem trüben Blick sah sie nichts als Fragen. Er flackerte unruhig mit den Augen und wandte sich dann ab.
    «Ja, da siehst du mal, Papa, deine Fatima ist gekommen.»
    Sie nahm das kleine Körbchen mit Weintrauben aus ihrem Netz und bot sie ihm an. Es sah aus, als zögerte er, doch schließlich nahm er eine Traube und steckte sie sich in den Mund.
    Dann verzogen sich seine Mundwinkel zu einem Lächeln.
    In seinem Unterkiefer fehlten zwei Zähne. Fatima hasste diesen Anblick. Der Verfall, sowohl der seelische als auch der körperliche, war so erniedrigend. Agnes hatte ihr jedoch erklärt, dass es geradezu unmöglich wäre, ihn beim Zahnarzt dazu zu bewegen, den Mund zu öffnen. Er hatte schon immer Angst vorm Zahnarzt gehabt.
    Als Fatima ihm von alltäglichen Dingen erzählte, gab er den einen oder anderen Kommentar dazu ab und sah aus, als hörte er ihr zu und verstünde sie.
    «Ja wirklich?»
    «Aha!»
    «Das klingt gut.»
    Sie sank in den geblümten Sessel, eines der wenigen Möbelstücke aus seiner alten Wohnung, die ins Zimmer gepasst hatten. Obwohl sie wusste, dass die Worte für ihn keinen tieferen Sinn ergaben, bildete sie sich manchmal ein, dass es ihr eine gewisse Ruhe vermittelte, jemandem ihr Herz auszuschütten, von dem sie wusste, dass er alles in seiner Macht Stehende tun würde, um ihr zu helfen.
    «Ich ermittele gerade in einem Mordfall, Papa.»
    «Wie schön.»
    «Ein Mann wurde ermordet, weil er den Zorn Gottes auf sich gezogen hatte.»
    «Wirklich …?»
    Er runzelte die Stirn.
    «Wir wissen es natürlich nicht hundertprozentig», seufzte Fatima.
    «Neulich gab es Blumenwurst zum Abendessen.»
    «Du meinst, Fleischwurst mit Blumenkohl?»
    «Ja, genau», antwortete er und knipste sich eine Weintraube ab.
    Aus dem Mundwinkel lief ihm etwas Saft, der an seinem Kinn hinunterrann. Sie wischte ihn mit einer Papierserviette ab. Mahmoud streckte sich nach einer weiteren Traube.
    «Im Zusammenhang mit diesen Ermittlungen habe ich zwei Männer getroffen», sagte Fatima nachdenklich. «Sie sind zwar vollkommen unterschiedlich. Aber beide bringen mich in gewisser Hinsicht aus dem Gleichgewicht. Der eine macht mich wütend und ängstlich. Und der andere hat mich heute zum Lachen gebracht.»
    «Wie schön.»
    «Ja, das war wirklich schön», entgegnete Fatima lächelnd und tätschelte ihm die Hand. «Aber ich weiß gar nicht, ob ich es eigentlich darf. Ich bin schließlich Polizistin. Ich glaube nicht, dass meine Chefs es gutheißen würden, wenn ich mich mit Joel amüsiere.»
    «Joel … Wer ist das denn?»
    «Ein Mann. Ich glaube, er ist ziemlich einsam. Ähnlich wie ich selbst. Sein Vater wurde ermordet.»
    «Was für furchtbare Sachen du da erzählst.»
    Als sie sah, dass er sich erneut reckte, reichte sie ihm die Weintrauben. Mein Vater sieht wie ein kleines Kind aus, wenn er isst, dachte sie.
    «Und dann ist da noch der andere. Ich muss nach Malmö zurückfahren, um ihn nochmals zu vernehmen. Er heißt Osama. Osama Al-Din. Er kommt aus dem Irak. Zumindest nehmen wir das an.»
    «Osama ist ein schöner Name. Den möchte ich kennenlernen.»
    Fatima verzog den Mund, ohne ein richtiges Lächeln zustande zu bringen.
    «Das geht leider nicht.»
    Sie steckte sich selbst ein paar Weintrauben in den Mund.
    «Er spielt ein Spiel», erklärte sie. «Und ich weiß nicht, ob ich so gut darin bin. Oder was meinst du, Papa?»
    «Man kann nie wissen …»
    «Wir spielen ein Spiel, obwohl ich es

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