Gottes Zorn (German Edition)
Innenstadt von Kopenhagen in Richtung Nørrebro.
Fatima empfand die Stille, die über der Großstadt lag, als unwirklich. Als wäre alles eingefroren.
«Sie sind wieder zu Hause», teilte eine dänische Stimme über Funk mit.
Plötzlich stieß Nielsen einen Fluch aus und erhöhte das Tempo.
Als er um die Ecke bog, hatten sie die Ägypter wieder im Blick. Auf dem Weg von ihrem Wagen zur Eingangstür eines heruntergekommenen Backsteinhauses stapften sie gerade durch eine Schneewehe. Vor der Tür traten sie zur Seite, um zwei Frauen in Hidschab und dicken Mänteln darüber vorbeizulassen, die auf dem Weg hinaus waren.
Als die beiden Männer schon fast im Haus verschwunden waren, schien es, als überlegte einer der beiden es sich anders. Er drehte sich um. Fatima duckte sich instinktiv. Ohne dass sich ein Muskel in seinem Gesicht regte, starrte der Mann sie geradewegs an.
Dann hob er die Hand und winkte.
Sie hörte ein Fluchen vom Beifahrersitz.
Dann wurde es wieder still, bis Nielsen auf dem Weg zum Polizeirevier in Søborg einige weitere Viertel durchquert hatte.
«Sie sind nicht nach Schweden gefahren, um Falafel zu essen», sagte der Däne nachdenklich.
«Und warum sonst?»
«Sie wollten nur Katz und Maus spielen …»
Kapitel 25
J oel lag auf dem Sofa und war so tief in Gedanken versunken, dass er nicht bemerkte, wie sich das Tageslicht vor dem Fenster in der Dämmerung auflöste. In der Ecke zwischen dem Kachelofen und der gräulich verfärbten Tapete saß fast ganz oben an der Decke eine Spinne. Unbeweglich, als wäre sie tot. Vielleicht war sie verhungert, weil es keine Fliegen zu fangen gab. Ihr Netz musste schon seit dem Herbst dort gehangen haben.
Die Wärme des Ofens machte Joel schläfrig und seine Augenlider schwer. Er wollte am liebsten schlafen, lange und ohne von Träumen behelligt zu werden. Doch das Kribbeln in seinen Beinen machte sich wieder einmal bemerkbar, und in seinem Körper breitete sich eine Unruhe aus.
Joel musste an Mårten und seine Rastlosigkeit denken. Alles musste immer so verdammt schnell gehen. Die Malerei verursachte ständig Wutausbrüche, wenn die Bilder nicht die Form annahmen, die er beabsichtigte. An seinem Akkordeon riss und zog er, ohne jemals Luft unter die Töne zu bekommen. Die Fleischwurst verbrannte jedes Mal in der Bratpfanne, weil er die Hitze zu hoch schaltete. Und wenn sie mal zusammen eine Partie Karten spielten, dauerte es nicht lange, bis er sauer wurde oder keine Lust mehr hatte.
Aber er hat es dennoch versucht, oder?, wurde es Joel mitten in seinen Gedanken bewusst.
Wir haben tatsächlich am Tisch gesessen und Karten gespielt. Merkwürdig, dass mir das nicht schon früher eingefallen ist.
Morgens hatte jemand von der Anwaltskanzlei bei ihm angerufen. Eine Frau, die sich als Sekretärin bei Berelius & Sohn vorgestellt und erklärt hatte, dass es um ein Testament ginge. Ob Joel am nächsten Morgen vorbeikommen könne?
Ja, natürlich, hatte er geantwortet. Dann hatte er etwas vor sich hin gebrummt. Der Alte hatte ja offensichtlich nichts hinterlassen, was das Papier wert gewesen wäre, auf das er seinen Letzten Willen gekritzelt hatte.
Doch die Bilder in seinem Kopf wurden immer widersprüchlicher und befremdlicher.
Es war schwer, sie zusammenzubringen.
Joel sah das Foto vor sich, das er im Archiv der Zeitungsredaktion gefunden hatte. Mårten posierte mit seinem Strohhut auf dem Kopf vor den Bildern, die ihn letztendlich das Leben kosten sollten. Die Augen des Alten leuchteten, als wäre er besessen.
Siw Wollgren behauptete, dass Mårten in all den Jahren entgegenkommend und gutmütig zu ihr gewesen sei. Ein erloschenes Sternchen der Moonlighters, eine abgelegte Geliebte, die ihn darum gebeten hatte, ihr sein altes Akkordeon als Erinnerungsstück zu überlassen.
War das ihr einziges Anliegen gewesen?
Der Prediger, der davon faselte, dass Mårtens schwarze Seele das Licht erblickt hätte.
Und Helga, der es sogar gelungen war, den Alten dazu zu bringen, im Kirchenchor zu singen, und die von ihm sprach, als wäre er eine bedeutende kulturelle Persönlichkeit gewesen und nicht bloß ein ordinärer Betrüger und Gewalttäter.
Während Joel ausgestreckt auf dem Sofa lag, musste er auch an Goran Djelic denken, den Riesen mit den Kampfhunden, der sich so sicher war, dass Mårten seinen Bruder umgebracht hatte. Wie hatte er sich noch ausgedrückt? Dass Mårten zwar ein Schwein, aber ein zäher Bursche war. Er hatte die Worte des Serben noch in
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