Gottes Zorn (German Edition)
sie.
Er richtete den Lichtkegel zur Seite, bevor es ihm gelang, mit zitternden Fingern die Lampe auszuschalten.
Es dauerte einige Sekunden, und dann hörte er, wie sie ein Feuerzeug anriss. Als die Flamme größer wurde, sah er, dass sie mit einer Öllampe im Schnee hockte. Joel schaute sich angespannt um.
«Sie brauchen keine Angst zu haben. Ich bin allein», murmelte sie und stand auf.
Wie sie so im flackernden Schein mit rot gefrorener Nase dastand, glich die Frau des Predigers einem Waldtroll, der gerade aus einem Erdloch gekrochen war. Als sie ihre Lampe anhob und vors Gesicht hielt, um sich zu erkennen zu geben, leuchteten ihre Augen grauweiß. In der anderen Hand hielt sie eine Schneeschaufel. Ein Geruch nach Tabak und Haschisch mischte sich mit der Kälte des Kiefernwaldes.
Erst als sie ihn eine Weile beäugt hatte, öffnete sie erneut den Mund.
«Es war nicht Mårten, der im Boot saß», sagte sie. «Es war Torsten.»
«Aber warum …?»
«Folgen Sie mir!», befahl sie ihm und machte auf dem Absatz kehrt.
Voller böser Vorahnungen folgte Joel dem gelblichen Lichtschein durch die Nacht. Er hörte, wie Rakel keuchte und stöhnte und immer wieder fluchte, wenn sie über Wurzeln und Steine stolperte, die unterm Schnee verborgen lagen. Schließlich machte sie bei einer kleinen Erhöhung nahe am Ufer halt.
«Am besten zeige ich es Ihnen. Denn sonst glauben Sie mir womöglich nicht.»
Sie reichte ihm die Lampe und hieb mit der Schaufel in den Schneehaufen. Joel konnte ihren dampfenden Atem sehen, während sie arbeitete. Bald darauf ertönte ein helles Klingen wie von Metall auf Stein. Nachdem sie noch etwas mehr Schnee zur Seite geschaufelt hatte, wurde ein Steinhaufen sichtbar.
«Sie können gerne mithelfen», murmelte sie über die Schulter hinweg.
Vorsichtig stellte Joel die Lampe auf den Boden und begann mit den Händen den Schnee wegzuschaufeln. Was zum Teufel mache ich eigentlich hier?, fragte er sich und schielte zu der Frau rüber, die im Schweiße ihres Angesichts neben ihm schaufelte. Sie zwinkerte ihm zu, als könnte sie seine Gedanken lesen.
«Sie werden gleich sehen …», sagte sie.
Als ein Teil des Steinhaufens freigelegt war, richtete sie sich auf und hielt sich mit einem Daumen ein Nasenloch zu, während sie sich aus dem anderen schnäuzte.
«Geben Sie mir die Axt!»
Joel zögerte. Was um alles in der Welt hatte sie vor? Widerstrebend reichte er ihr das Werkzeug.
«Memme!», hörte er sie murmeln.
Dann umschloss sie den Schaft der Axt mit beiden Händen und schwang sie rückwärts über den Kopf, während Joel in einem schwindelerregenden Augenblick glaubte, sie würde ihm den Schädel spalten. Instinktiv ging er in die Hocke und hielt sich schützend die Arme über den Kopf. Doch stattdessen schlug sie mit der flachen Seite der Axt auf den obersten Stein des Haufens, sodass er einen klingenden Ton von sich gab.
«Sie sind festgefroren», erklärte sie. «Versuchen Sie ihn zu bewegen.» Als Joel einfach stehen blieb, zischte sie ihn ärgerlich an. «Nun machen Sie schon! Wir haben schließlich nicht die ganze Nacht Zeit.»
Ihm wurde klar, dass jetzt nicht die Gelegenheit war, um Fragen zu stellen. Joel stellte sich breitbeinig hin, legte die Handflächen auf den eiskalten Feldstein und wuchtete ihn schließlich zur Seite.
«Gut», nickte sie. «Und jetzt gehen Sie aus dem Weg.»
In schneller Folge schwang sie dreimal die Axt, und jedes Mal wenn sie auf den Stein traf, hallte ein singender Klang über den See. Sie schaute sich unruhig um und legte den Kopf schräg, als horchte sie.
«Weg mit ihnen, schnell!»
Joel wälzte gehorsam die bemoosten Steine zur Seite.
Als Rakel die Öllampe wieder anhob, sah er, dass sich eine Öffnung im Steinhaufen gebildet hatte, die zu einem Hohlraum zu führen schien. Sie schob ihn unwirsch beiseite und grub wie ein Dachsweibchen im eisigen Schnee. Dann schob sie einige weitere kleine Steine weg, sodass sich das Loch weitete.
«Geben Sie mir Ihre Taschenlampe.»
Auf dem Bauch liegend, schob sie die Lampe in die Öffnung und leuchtete hinein, während sie nach etwas zu suchen schien. Nach einer Weile kroch sie zur Seite.
«So, jetzt können Sie es mit eigenen Augen sehen.»
«Und was kann ich sehen?»
Sie antwortete nicht, sondern warf auffordernd den Kopf in den Nacken, um ihm zu signalisieren, dass er sich beeilen sollte. Joel nahm die Taschenlampe an sich und ging in die Knie. Mit dem unangenehmen Gefühl, dass in diesem Dachsbau
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