Gottes Zorn (German Edition)
småländischen Einöde untergekommen, hatte in einem Lokal in Kopenhagen gearbeitet und später als Musiklehrer in Malmö. War mit einer Kollegin verheiratet gewesen, bis die Ehe in die Brüche ging und Joel alles hinter sich ließ. Er zog schließlich zurück aufs Land, wo er sich bemüht hatte, seinem Vater, so gut es ging, aus dem Weg zu gehen.
Dieser Hass, dachte Fatima.
War er stark genug, um ihn zum Mörder werden zu lassen?
Zu Bill Lundström hatte sie gesagt, dass sie sich mit Joel treffen wollte, um den Ort des Verbrechens mit seinen Augen zu sehen. Vielleicht würde Joel etwas auffallen, was der Polizei entgangen war. Kleinigkeiten, die Osama Al-Din ein für alle Mal an den Tatort binden würden. Doch als Fatima auf dem Weg nach Hause in ihrem Wagen saß, konnte sie nicht umhin, an das zu denken, was Eva Ström am Telefon gesagt hatte: Es könnte noch mehr Leute geben, die ein Motiv für den Mord an Mårten Lindgren gehabt haben.
Als sie den alten Wasserturm erblickte, der an eine Nuckelflasche erinnerte, begann es zu dämmern. Winzige Schneeflocken wirbelten durch die Luft, sodass sie die abgenutzten quietschenden Scheibenwischer anschalten musste. Die Straßen der Stadt lagen verlassen da. Es schien, als würden die Leute in ihren Häusern bleiben und auf mildere Zeiten warten.
Fatima parkte den Wagen und lief mit schnellen Schritten die Treppe hinauf. Auf dem Flurteppich lagen die Tageszeitungen der letzten drei Tage sowie Post und ein Haufen Reklame. Ich muss mir endlich so einen Aufkleber besorgen, damit mir dieser Mist erspart wird, dachte sie.
In der Wohnung roch es abgestanden, eine Mischung aus Staub und vertrockneten Topfpflanzen. Sie öffnete die Balkontür, um zu lüften, und goss dann ihren großen Hibiskus, ihre Schwertlilien und den Rosmarin in der Küche mit dem Wasser aus der Gießkanne. Als sie gerade die Balkontür wieder schließen wollte, sah sie, dass der gebrechliche Mann im Rollstuhl in der gegenüberliegenden Wohnung wieder dort saß und auf die Wand starrte. Die Jalousie war noch immer kaputt und hing schief herunter. Fatima konnte nicht umhin, sich zu fragen, was dieses Bild, dessen Motiv sie nicht sehen konnte, wohl darstellte. Sie musste lächeln. Vielleicht bestand der letzte Trost des Alten ja in einer nackten Frau mit einem Riesenarsch.
Sobald sie ihre Tasche ausgepackt und ihre Schmutzwäsche in die Waschmaschine gestopft hatte, begann sie sich entgegen ihren Erwartungen rastlos zu fühlen. Sie setzte sich vor den Fernseher und zappte eine Weile lang herum, bis sie ihn wieder ausschaltete. Überlegte dann, ob sie kurz bei Eva Ström anrufen sollte, ließ es aber bleiben. Sie schaute im Computer nach ihren Mails, ohne irgendetwas zu finden, das sie interessierte. Zerstreut loggte sie sich auf ihrer gewohnten Dating-Website ein. Klickte zwischen diversen Männern hin und her, die sich nach menschlicher Wärme, Waldspaziergängen und gemütlichen DVD -Abenden sehnten. Schaudernd verdrängte sie Fredrik mit dem Heizungs- und Sanitärbetrieb in Växjö, dem sie aus unerfindlichen Gründen das Knie in den Unterleib gerammt hatte. Sie klappte rasch den Laptop zu und begann stattdessen in der Tageszeitung zu blättern. Vielleicht sollte sie mal kurz bei Lena vorbeischauen, der Friseurin, die in der Etage unter ihr wohnte, und fragen, ob sie Lust hätte, mit ihr auf ein Bier in die Kneipe zu gehen? Nur, um sich mit einem ganz normalen Menschen zu unterhalten. Doch sie verwarf den Gedanken. Über all das, was sie loswerden und diskutieren wollte, durfte sie ja sowieso nicht reden.
«Verdammt auch!», fluchte sie lauthals und warf sich rücklings aufs Sofa.
Ihr nächster Gedanke bestand darin, Joel Lindgren anzurufen und sich für ihren Ausbruch zu entschuldigen.
Reiß dich zusammen! Du bist schließlich Polizistin. Du musst einstehen für das, was du tust.
Dennoch ertappte sie sich bei der Frage, was er wohl gerade machte. Sein zerzaustes blondes Haar, der irgendwie treuherzige Blick. Warum musste er nur in diesem von Motten zerfressenen Militärmantel herumlaufen?
Der Taschenkalender, den er ihr gegeben hatte, lag auf dem Wohnzimmertisch. Sie war die Namen durchgegangen und hatte sich eingeprägt, was zu tun war.
Aber eigentlich wusste Fatima, dass es nicht nur seine Vergesslichkeit war, die sie wütend gemacht hatte. Sondern etwas, das Joel zuvor gesagt hatte, als sie im Atelier standen und auf den Haken an der Decke und die blutroten Schriftzeichen an der Wand
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