Gottesgericht
aus.
Alis Stimme ertönte über die Studioleitung. »Paddy steht bereit. Er ist auf Skype. Kann sein, dass er ein bisschen leise ist, besser du testest es mal.«
Jane zeigte Ali den erhobenen Daumen und sah auf dem Schirm nach, auf welcher Leitung Paddy war. »Du könntest eigentlich gleich hierbleiben für seinen Bericht, Joe.« Sie drückte einen mit PFL beschrifteten Knopf auf dem Telefonkanal. Der Ton der Werbespots wurde unterbrochen, und sie hörte über einen kleinen Lautsprecher im Mischpult, wie sich Paddy Wright räusperte. »Ein paar Worte zur Lautstärkeregelung, Paddy«, sagte sie. Wright las etwas von seinem Skript ab, während Jane die zuckenden Signale des Lautstärkereglers beobachtete und eine leichte Anpassung vornahm.
Da nicht mehr ganz eine Minute Zeit blieb, bis sie wieder live auf Sendung gingen, fragte sie Joe: »Nur interessehalber: Wo steht Israel denn nun wirklich?«
»Na ja, die Frau hatte recht damit, dass Israel und die Türkei bis vor Kurzem Verbündete waren. Aber das begann sich zu ändern, als sich die türkische Regierung weg von der säkularen Verfassung in Richtung islamistischer Staat zu bewegen schien. Deshalb glaubt Israel, dass die EU ein Gegengewicht zu diesem Trend bilden wird. Außerdem beunruhigt das iranische Streben nach Atomwaffen Israel seit einiger Zeit, deshalb will es die Türkei auf der richtigen Seite des Zauns haben. In der EU , anders ausgedrückt.«
»Aber Israel hat selbst Nuklearwaffen, oder?«
»Offiziell nicht, aber sicher, es hat welche. Es will jedoch nicht in eine Konfrontation mit dem Iran geraten, die zu einem Atomkrieg eskalieren könnte. Israel ist ein kleines Land, und es weiß, es würde von der Landkarte getilgt, während der Iran überleben würde.«
Als die Werbepause endete, setzte Jane ihre Kopfhörer wieder auf und schaltete ihr Mikro ein. »Sie hören Wade’s World auf TalkNation mit Jane Wade. Und jetzt schalten wir zu unserem Reporter Paddy Wright nach Istanbul für das Neueste von dem Geiseldrama dort … Paddy, was tut sich?«
9
»Guten Morgen, Jane«, sagte Wright mit frischer, gebieterischer Stimme. »Tja, die Neuigkeit ist, dass sich die Geiselnehmer endlich zu erkennen gaben, aber ich weiß nicht, ob wir damit irgendwie klüger sind.«
»Nanu?«
»Nun, sie nennen sich die Belisarius Brigade, eine bislang unbekannte Organisation, soviel ich weiß.«
Jane warf Joe einen fragenden Blick zu. Der schürzte die Lippen und zuckte mit den Achseln. Dann begann er, leise in sein Netbook zu tippen.
»Und sie ist auch unserem hauseigenen Experten in puncto Türkei, Joe Brady, nicht bekannt, der bei mir im Studio ist«, überspielte sie Joes Unwissenheit. »Aber er macht sich schlau, während wir uns unterhalten. Fahren Sie fort, Paddy.«
»Da wird er viel Glück brauchen. Soviel ich weiß, war die Gruppe bis zu dem Statement heute nicht im Internet präsent. Was wahrscheinlich bedeutet, dass sie sich den Namen für diese Operation ausgedacht hat.«
»Haben sie schon Forderungen bekannt gegeben?«
»Ja, sie haben ihre Forderungen genannt, und wiederum sind alle Beobachter hier überrascht. Die meisten haben wohl erwartet, dass der Grund …«
»Tut mir leid, wenn ich unterbreche«, sagte Joe, den Blick starr auf den Bildschirm gerichtet. »Paddy hat recht, dass die Brigade im Internet nicht vorkommt. Aber es gibt eine Menge über einen byzantinischen Militärführer namens Belisarius. Er war für die gewaltige Ausdehnung des Reichs unter der Herrschaft von Kaiser Justinian verantwortlich – als die Hagia Sophia gebaut wurde, mit anderen Worten.«
»Und nur zur Klarstellung für unsere Hörer«, sagte Jane. »Istanbul hieß zu dieser Zeit Konstantinopel und war das Herz des Byzantinischen Reichs.«
»Nun, das passt zu den drei Forderungen der Brigade, wie Sie gleich hören werden«, fuhr Wright fort. »Wie die vorhergehenden Bekanntmachungen wurden sie im Namen der Gruppe von einer Frau vorgetragen, bei der es sich, wie wir inzwischen wissen, um die Vertreterin des türkischen Kultur- und Tourismusamts handelt. Sie führte die Reiseunternehmer gerade durch das Museum, als es zu der Geiselnahme kam. Und erneut übermittelte sie die Botschaft per Anruf bei TRT Radio … Zunächst einmal wollen die Entführer, dass das Museum Hagia Sophia geschlossen wird. Zweitens wollen sie, dass das Gebäude von allen Merkmalen islamischer Architektur darin gesäubert wird und die vier Minarette zerstört werden. Und drittens verlangen sie,
Weitere Kostenlose Bücher