Gottesgericht
eifrig eine ihrer dunklen Haarsträhnen in den Fingern, eine Angewohnheit von ihr, wenn sie unter Druck war. Jane drückte kurz den Sprechknopf, um auf sich aufmerksam zu machen. Ali reagierte, indem sie die Ziffer 5 in die Luft malte und gleichzeitig das Wort »fünf« mit den Lippen formte. Sie würden weitere fünf Minuten füllen müssen.
»Wie war die Haltung der übrigen türkischen Nachbarn zum EU -Beitritt?«, fragte sie, als Joe seine Zusammenfassung der türkisch-griechischen Beziehungen beendet hatte.
»Äh …« Joe musste einen Moment überlegen.
»Bulgarien und Georgien, beispielsweise …«
»Ah, ja. Sie unterstützten ihn größtenteils. Das Gleiche gilt für Russland, denn die Führung im Kreml weiß, dass die Türkei nicht darauf versessen ist, der NATO mehr Einfluss im Schwarzmeergebiet einzuräumen.«
Ali klickte die Studioleitung in Janes Kopfhörern an, und Jane sah wieder auf den Schirm. Eine Reihe von Anrufern wollte unbedingt in die Sendung.
»Und die muslimischen Staaten, die an die Türkei grenzen?« Sie las sich durch, was die Anrufer im Kern sagen wollten, und entschied sich für einen von ihnen – eine Frau und zufällig die letzte, die angerufen hatte. »Iran, Irak und … Syrien«, soufflierte sie.
»Ja, drei wichtige islamische Staaten«, sagte Joe, der jetzt ein bisschen schwamm. »Sie haben vorsichtige Unterstützung geäußert, auch wenn es der Iran vorziehen würde, wenn sie alle einen islamischen Block bildeten, der gegen den Westen und China antritt. Dann ist da noch …«
Jane machte ihm ein Zeichen, dass sie eine Anruferin in die Sendung nehmen würde.
Sie schob den Regler für Leitung drei hoch. »Martha, was wollen Sie uns sagen?«
»Es gibt ein wichtiges Land in der Region, das Sie bisher nicht erwähnt haben.« Martha klang wie eine Lehrerin, die einen Schüler tadelt.
»Ach ja? Und welches ist das?«, sagte Jane.
»Na, Israel natürlich.«
»Nun, hier ist Ihre Gelegenheit, das Versäumnis zu korrigieren, Martha. Wie ist die Haltung Israels zum EU -Beitritt der Türkei?«
»Der Türkei? Sie meinen Gomer. «
»Wie bitte?« Jane sah fragend zu Joe.
Joe runzelte die Stirn und tippte das Wort in sein Netbook.
»Hesekiel verrät uns, dass Persien sich mit Ägypten und Magog gegen Israel verbünden wird«, fuhr Martha fort. »Und dass Gomer sich dem Angriff ebenfalls anschließen wird.«
Jane rutschte unruhig auf ihrem Sitz umher. »Äh, ich weiß nicht recht, was Sie uns mit all dem sagen wollen, Martha.«
»Nun, Persien ist natürlich der Iran. Und die Bibelwissenschaft lehrt uns, dass Magog Russland ist und Gomer das, was wir als die Türkei kennen.«
»Hm, ich verstehe.« Jane schaute zu Ali hinaus und fing deren Blick auf. Dann machte sie ein X vor ihrer Kehle, um anzuzeigen, dass sie die Anruferin aus der Leitung schmeißen würde.
»Und wir wissen, eins der Zeichen vor der Endzeit ist, dass die scheinbare Freundschaft zwischen der Türkei und Israel sich in Feindseligkeit verwandeln wird«, fuhr Martha fort. »Was bereits geschehen ist …«
»Danke für diesen Einblick, Martha, und jetzt müssen wir …«
»Und was wird dann geschehen?«, warf Joe ein, bevor Jane die Telefonleitung unterbrechen konnte. Sie funkelte Joe böse an, ließ Martha aber auf Sendung, damit sie antworten konnte.
»Dann wird das Licht Israels mit der Hitze von tausend Sonnen brennen, Magog und Persien werden zerstört werden, und alle Feinde von Gottes auserwähltem Volk werden vom Angesicht der Erde getilgt!« Marthas Stimme war zu einem triumphalen Crescendo angestiegen.
»Verstehe«, sagte Joe leicht verlegen.
Jane fuhr den Regler herunter und sah auf die Studiouhr. »Es geht auf 10.15 Uhr zu, und ich denke, es wird Zeit, dass wir etwas aus Istanbul hören. Nach einer kurzen Pause geht es weiter.« Sie schob einen anderen Regler vor und spielte die Werbespots ab.
»Ich musste sie abwürgen, Joe«, sagte sie und nahm ihre Kopfhörer ab. »Sie hätte uns zugeschüttet mit Bibelzitaten. Oder jedenfalls mit ihrer Version davon.« Jane fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, um ein bisschen Luft an ihre Kopfhaut zu lassen. Seit sie die tägliche Sendung übernommen hatte, trug sie das Haar kurz, damit es sich nicht ständig in den Kopfhörern verfing. Aber zu warm war es immer noch.
»Tut mir leid, ich hätte sie nicht ermutigen sollen.«
»Schon gut. Es ist nur so, dass ich ein bisschen Erfahrung mit Fanatikern wie ihr habe.« Sie ließ sich nicht näher darüber
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